Haus der Löcher (German Edition)
zweite Runde Drinks kam. Cardell trank schielend einen langen Schluck aus dem Strohhalm und stieß einen tiefen Seufzer aus. «Kalt», sagte er.
«Sehr. Die haben es durch Strohhalme aus einer Strohhutfabrik getrunken und es mit zerstoßenem Eis aus einem See in Massachusetts gekühlt», sagte Jackie.
«In England hatten sie amerikanisches Eis? Das ist schon irgendwie schräg.»
«Nein, es ist vernünftig, weil das Eis vom Wenham Lake das beste war, und die Eisverkäufer sind nach London und Oxford und Cambridge und haben es rumerzählt. Sie haben gesagt: ‹Machen Sie diesen Sherry Cobbler nach unserem Rezept, aber dafür brauchen Sie echtes importiertes amerikanisches Eis, nicht das schmutzige Eis aus den schmutzigen Fischläden und den schmutzigen britischen Flüssen, denn von dem werden Sie krank.»
«Und dann erbricht man sich natürlich, und die Schwindelgefühle machen es auch nicht besser.»
«Stimmt, ‹Kaufen Sie unser sauberes unschuldiges Eis aus dem Lande Amerika, wo es saubere grüne Laubfrösche gibt und saubere schimmernde Fische und ein paar edle Wilde, die in ihren makellosen Mokassins Skippity Doodah singen.› Ein großes Geschäft, der transatlantische Eishandel. Charles Dickens kaufte 1850 für fünf Pfund Eis vom Wenham Lake.» Jackie zeigte auf Cardell. «Das ist eine Tatsache.»
«Interessant», sagte Cardell und rieb sich heftig das Gesicht. «Die Engländer führen schöne Reden, aber sie sind ja solche Heuchler. Diese ganze Geschichte, wie ordinär es ist, in einen Drink Eis zu tun. Nun sehen Sie sich nur mal diesen irren Pfirsich-Cobbler an!» Er richtete die Handflächen auf sein Glas. «Sehen Sie ihn sich nur an!»
«Also, Cardell», sagte Jackie milde und tätschelte ihm die Hand, «der Pfirsich-Cobbler ist ein bisschen anders. Der wird im Ofen gebacken.»
«Natürlich, was denke ich da nur? Pfirsiche, und man backt sie. Ganz anders. Ganz heiß. So heiß, dass man sie auf der Gabel abkühlen lassen muss, weil man sich sonst das empfindliche Mundgewebe verbrennt. Der hier ist mit Eis und einem Strohhalm, und man saugt ihn gierig auf.»
«Sollen wir noch einen bestellen?», sagte Jackie. «Wieder machte sie dem Barmann eins ihrer gekonnten Zeichen. Dann hielt sie inne und horchte. Der Pianist am anderen Ende des Raumes hatte zu spielen begonnen.
«Was für ein Lied ist das?», fragte Cardell. «Das ist doch ganz bekannt.»
«Das ist natürlich Hoagy Carmichael», sagte sie. «‹I get along without you very well›.»
«Gott, diese Namen. ‹Martin Chuzzlewit›, ‹Hoagy Carmichael›. Wissen Sie, wenn ich in einem Hörsaal sitze und mir einen Vortrag von einem echt tödlichen Historiker anhöre – nichts gegen Ihren Beruf –, dann haut mein Kopf sich richtiggehend voll mit obszönen Bildern. Ich kann nichts dagegen tun.»
«Was denn so für obszöne Bilder?», sagte Jackie. «Bitte genauer.»
«Ach, wissen Sie –» Cardell betrieb rasch ein wenig Selbstzensur. «Genauer gesagt zwei Leute, die an den Knien zusammengebunden sind. Locker zusammengebunden.»
«Nicht gefesselt. Bitte nicht.»
«Was?»
«Das ist doch so eine abgenutzte Trope, dass Leute einander festbinden und in Mayonnaisegläser pinkeln und was nicht alles», sagte Jackie. «Das wollen Sie doch wohl nicht, oder?»
«Hm, nein, natürlich nicht, aber.» Cardell spürte, wie sich eine Lustwelle aufbaute, wie es ihn von dem Hochgefühl, das, was er im Kopf hatte, auszusprechen, in den Lippen kribbelte. «Stellen Sie sich zwei Stühle vor, die einander gegenüberstehen. Ich sitze auf dem einen, Sie auf dem anderen.»
«Bitte, Cardell, machen wir’s nicht ganz so persönlich.»
«Okay, auf einem Stuhl sitzt Charles Dickens –»
«Nicht Dickens.»
«Okay, auf einem Stuhl sitzt der ansehnliche Barpianist und Sie auf dem anderen, aber Sie sind gar nicht richtig Sie, weil Sie mit Ihren Gedanken immer nur bei dem Apfel-Cobbler sind. Vielmehr Sherry. Shorry. Und beide tragt ihr modische Unterwäsche, und eure Knie sind mit langen, bunten Tüchern zusammengebunden.»
«Indischen bedruckten Tüchern?»
«Unbedingt. Nicht fest, aber auch nicht lose. Sie spielen mit Ihrer sabbernden Muschi, und er macht an seinem Bulldog rum – und eure Münder murmeln schweinische Nichtigkeiten, die der andere nicht genau versteht. Dann fasst er Sie an der Taille und will Sie zu sich herziehen, und Sie fassen ihn an den Schultern und wollen ihn zu sich herziehen. Aber keiner kann’s.»
Sie runzelte die Stirn. «Warum
Weitere Kostenlose Bücher