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Haus der Löcher (German Edition)

Haus der Löcher (German Edition)

Titel: Haus der Löcher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholson Baker
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besten, dachte er, ging er wohl in diesen Coffeeshop namens Tribe of Bean, den kannte er schon, und dort trugen die Frauen manchmal Kleider. Cardell war aufgefallen, wenn eine Frau an einem Samstagnachmittag in einem Coffeeshop ein Kleid trug, dann wollte sie jemanden kennenlernen. Natürlich bedeutete das nicht zwangsläufig, dass sie gerade Cardell kennenlernen wollte – aber es war ja möglich.
    Dazu brauchte er aber als Erstes einen Stift und ein Notizbuch, damit er im Coffeeshop ins Schreiben vertieft sein konnte, wenn eine Frau in einem Kleid hereinkam. Also ging er zunächst in einen Schreibwarenladen und direkt an die Wand, wo alle Stifte waren. Dort stand eine zierliche, feingliedrige Frau und betrachtete die Auslagen. Sie hatte dunkle Haare mit viel Schwung und Volumen, große Augen, einen kleinen Hintern und eine kleine schwarze Handtasche. Sie trug ein Kleid – schwarz mit dünnen vertikalen Streifen.
    Cardell wollte ihr näher sein, also rückte er unmerklich in ihre Richtung. Er besah sich die Tintenroller, dann bewegte er sich noch weiter zu den pastellfarbenen Gelrollern hin. Und dann war er bei den Metallics. Er war noch eine Weile stumm, sie ebenfalls, wie in gegenseitigem Einvernehmen.
    Schließlich räusperte sich Cardell. «Ich gehe in den Coffeeshop», sagte er, «und ich brauche etwas zum Schreiben. Können Sie mir einen Stift empfehlen?»
    Sie zeigte auf die Tintenroller. «Wenn Sie sich einfach nur Notizen machen wollen, dann nehmen Sie doch so einen.» Sie hatte eine weiche, bedächtige Stimme mit einer Spur South Carolina darin. «Was wollen Sie denn so schreiben?»
    «Ach», sagte Cardell, «ich nehme an, alles, was ich bei einer Frau will.»
    Die Frau musterte ihn von oben bis unten und sagte dann: «Ist das da in Ihrer Tasche ein Ei?»
    Cardell nickte.
    «Das habe ich mir fast gedacht», sagte sie. «Dann brauchen Sie aber ein bisschen was Exotischeres.» Sie schüttelte den Stift, den sie in der Hand hielt. «Das sind die Besten.»
    Cardell blickte kurz auf die Verpackung. «Silbergel», sagte er. Er sah sie fragend an.
    Sie beugte sich zu ihm. «Wissen Sie, wenn ein Mann mit so einem seinen Namen schreibt», flüsterte sie, «geschieht etwas Interessantes. Wenn er kommt, spritzt er geschmolzenes Silber.»
    Cardell war überrascht. «Auf Dauer?»
    «Nein, nur für ein, zwei Tage. Vor einiger Zeit hatte ich einen Freund, der hat es mir gezeigt.»
    «Haben Sie jetzt einen Freund?»
    «Hm, ich habe einen Mann», sagte sie. «Er ist ganz wunderbar und sehr erfolgreich und sehr eifersüchtig. Manchmal mieten wir eine Wohnung am Strand des Hauses der Löcher, und wenn wir dort sind, werde ich ein bisschen – hmm – rallig-knallig.» Sie drückte seinen Bizeps.
    Cardell fand, dass es Zeit für ein Kompliment war. «Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie wie Marlo Thomas in ihrer Glanzzeit aussehen?»
    Sie dankte ihm. «Kaufen Sie den Gelroller», sagte sie. «Hoffentlich bis später mal. Ich heiße Betsy.»
    Cardell betrachtete ihre kleinen Hinterbacken, wie sie in ihrem Kleid wackelten, als sie rasch wegging. Eilig kaufte er den Roller und ein Notizbuch. Als er auf den Parkplatz hinaustrat, war ihr Wagen schon weg.
    Im Café holte er sich eine riesige Tasse Kaffee, die er nicht wollte, dann setzte er sich an einen Tisch, zog das Notizbuch hervor und riss die Verpackung um den silbernen Gelroller auf. Er schaute auf die offene weiße Seite vor ihm und sah sich dann in dem Coffeeshop um. Frauen in einem Kleid waren keine da. Auf einem Sofa saß ein alter Kerl und glotzte. Er hatte ein Parcheesi-Brett vor sich liegen. Cardell wollte nicht Parcheesi spielen, also beugte er sich über die Notizbuchseite und schrieb «hübscher, schicker, sexy Arsch». Er wollte seinen Namen darunterschreiben, aber mittendrin wurde der Stift trocken. Er schraubte das obere Ende ab und spähte in das Loch am Ende der Patrone. Dann spürte er etwas sehr Merkwürdiges, Warmes in den Hoden. Sein ganzer Körper wurde länger, und auf einmal wurde er in das winzige Rollerloch gespült.
    Eine Weile schwamm er blind durch die Silbergelpartikel, und als er am Ende herauskam, stand er an einem Strand vor einigen Fußspuren. Auf einem Schild stand «Hafen des Hauses der Löcher. Schwimmen auf eigene Gefahr».

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