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Haus der Löcher (German Edition)

Haus der Löcher (German Edition)

Titel: Haus der Löcher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholson Baker
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gingen sie in den Waschsalon. Polly zitterte innerlich, weil sie sich ziemlich sicher war, dass sie mit Jeff Schluss machen wollte, und er wusste irgendwie, dass ein größeres Gewitter aufzog. Dennoch mussten sie Wäsche waschen.
    Und so saßen sie auf den orangenen Stühlen, Jeff las The Rooster , und Polly schaute sich die Leute an. Plötzlich sah sie, wie ein Mädchen mit langen flachsblonden Haaren in einen Trockner stieg und die Tür hinter sich zumachte. Sie dachte: Seltsam. Das Mädchen erschien nicht wieder. Polly stand auf und schaute in das Trocknerfenster. Kein Mädchen. Sie ging zurück zu Jeff und sagte «Hm.»
    Jeff blickte nicht auf. Er las die Kritik eines Rockkonzerts. Er hatte nie Lust, in Konzerte zu gehen, aber er las alle Kritiken. «Jeff», sagte Polly, «da ist gerade ein Mädchen in den Trockner gestiegen.»
    Er blickte stirnrunzelnd auf.
    «Schaust du bitte mal nach?»
    Sie gingen hin, und Jeff zog die Trocknertür auf. Drinnen lag ein Haufen heißer Kleider – heiße Sommerfrauenkleider – und ein Herdhandschuh, das war’s. Sie bemerkte ein Kärtchen, das bei den Bedienungsknöpfen des Trockners angeklebt war. «HdL» stand darauf.
    «Wofür wohl ‹HdL› steht?», fragte sie Jeff.
    Jeff sagte achselzuckend: «Hab dich lieb?»
    Sie sagte: «Das ist kein Witz, vor zwei Sekunden ist in diesen Trockner ein Mädchen mit langen Haaren gestiegen.»
    «Versteh ich nicht, wie sie das hätte tun können», sagte er. Er setzte sich wieder und las seine Gratiszeitung weiter.
    Polly schüttelte wütend den Kopf und stieg in den Trockner. Drin war es ziemlich heiß, aber sie bekam ganz gut Luft. Sie drückte gegen die Rückwand und glaubte, sie bewege sich. Sie zog ein T-Shirt aus dem Kleiderhaufen, damit sie sich nicht die Hand verbrannte, und drückte mit aller Kraft gegen die Rückwand. Die Wand machte ein Geräusch wie eine gespannte rostige Feder und schwang auf. Sie kletterte hindurch und fiel auf ein Stück Wiese vor einem Fliederbusch. Sie lag oben ohne auf einem Hügel, inmitten von Wildblumen. Frauen mit Rucksäcken und Wanderstiefeln liefen ohne Hemd herum. Sie glaubte, gemurmelte Sexgeräusche in der Luft zu hören: Lutsch sie, stoß mich, drück da, ja, so. Zum Glück hatte sie noch das lange T-Shirt, mit dem sie die Rückwand des Trockners aufgedrückt hatte. Sie zog es an.
    Gleich darauf purzelte Jeff aus dem Loch in der Wand hinter ihr. Er war nur in Hemd und Unterhose. Er setzte sich im Gras auf und schaute sich um. Es war ein schöner Tag, nur eine winzige Wolke und in der Ferne an einem Bach ein Baumgrüppchen.
    «Ich hab’s dir doch gesagt», sagte Polly.
    Jeff schaute sich um. «Jede Menge interessante Halbnacktheit hier», sagte er erfreut.
    Hinter einem Busch erschien eine Frau. Sie trug einen sehr hübschen langen Rock – einen Ich-will-mit-dir-einen-Wildblumenspaziergang-machen-und-dich-anschließend-ficken-Rock – im Stil der vierziger Jahre mit blauen Punkten. Sie hatte einen süßen kleinen Mund, freundliche, aber berechnende Augen und Brüste in der Form von Frühstücksmuffins. Sie sagte, vor allem zu Jeff: «Braucht ihr Hilfe?» Ganz süße Stimme.
    «Irgendwie schon», sagte Polly. «Wir sind gerade aus dem Waschsalon hier rübergerutscht.»
    Die Frau nickte lächelnd, dann schaute sie auf Jeff, der noch immer in Unterhose im Gras hockte.
    «Du schlimmer Junge, du hast deine Hose verloren, und ich kann deinen Piepmatz sehen», sagte sie. Jeff sah sie mit einem blöden Grinsen an.
    In Polly stieg eine Giftwelle aus Eifersucht, Hass und Abscheu auf; sie wandte sich ab. Und da sah sie das prachtvollste cremefarbene Cape-Cod-Haus, das sie je gesehen hatte. Es hatte eine riesige umlaufende Veranda und Dachfenster, in denen sich die Sonne spiegelte, und davor standen große, leise seufzende Bäume. Polly zeigte darauf. «Ich finde, wir sollten da hingehen, Jeff», sagte sie.
    «Ich finde, ich sollte hierbleiben», sagte Jeff träumerisch, «damit wir wissen, wie wir wieder auf die andere Seite kommen.» Er legte sich ins Gras und blickte lächelnd in den Himmel. Dann blickte er auf das Mädchen in dem gepunkteten Rock. Sie schnitt Büschel weißen Flieders.
    «Dann bleib du hier in deiner Unterhose im Gras sitzen», sagte Polly. «Ich gehe mal zu dem Haus rauf und seh mich um. In ungefähr anderthalb Stunden treffen wir uns wieder.»
    «In Ordnung», sagte Jeff.
    Polly ging schäumend den Hügel hinauf zu dem Haus. Ein Mann öffnete die Tür. Er sagte, er heiße Mischa,

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