Haus der Lügen - 8
der Stirn tupfte. »Sie wollte das dortige Kloster besuchen. Mit Pater Ohmahr in der Nähe dachte ich, das sei völlig in Ordnung. Ich habe sogar darauf bestanden, dass sie abreist.«
»Du hast darauf be ...«, setzte Cayleb ungläubig an, dann zwang er sich zur Ruhe und atmete tief durch. »Du hast sie also weggeschickt. Regelrecht wegge scheucht , ja?«
»Ja, genau!«, mischte sich Sairah aufgebracht ein. In ihrem Tonfall schwang die Entrüstung mit, die ihr zustand. Schließlich diente sie Sharleyan schon seit deren Kindertagen. Die Zofe schüttelte den Kopf, griff nach dem Tuch, das Cayleb ihr reichte, und gab ihm dafür ein frisches. »Ihr wisst doch, wie sie ist, Euer Majestät! Sie ist störrisch, sie weiß immer alles besser, sie hört auf niemanden, macht sich immer Sorgen um andere, setzt immer ihren Willen durch, nie ...«
»Ich bin mir sicher, dass Cayleb den ganzen Katalog schon kennt, Sairah«, fiel ihr Sharleyan trocken ins Wort. »Aber natürlich habt ihr beide Recht. Frahncys hat Vorbehalte dagegen vorgebracht, und ich habe darauf bestanden, dass sie abreist.« Sie warf ihrem Gemahl ein schiefes Grinsen zu. »Und jetzt, wo ich darüber nachdenke, glaube ich mich zu erinnern, dass ich ihr gesagt habe, ich würde Pater Ohmahr über ihre Abreise informieren. Und irgendwie muss ich das wohl vergessen haben.«
»Na, wunderbar!« Cayleb verdrehte die Augen und stieß ein Schnauben aus. Dann lächelte er sie an und schüttelte den Kopf. »Dir ist schon klar, dass du wahrscheinlich die einzige Kaiserin auf der ganzen Welt bist, die dafür sorgt, dass wirklich niemand zur Verfügung steht, wenn die Wehen einsetzen, oder? Und ich dachte, der Ehemann müsse hektisch und kopflos herumwyvern!«
»Ich bin nicht hektisch oder kopflos«, widersprach Sharleyan ihm mit fester Stimme. »Ich war nur in den letzten Tagen ein bisschen ... geistesabwesend.«
»So kann man das auch ausdrücken«, sagte er mit Nachdruck.
»Ach, sei still!«, wiederholte Sharleyan. »Außerdem hatte ich wirklich gehofft, Maikel wäre zurück, ehe das Kind kommt, und auch ...«
Sie vollendete den Satz nicht, sondern lächelte nur noch einmal. Cayleb tätschelte ihr die Hand und nickte. HMS Dawn Wind war in eine Flaute geraten, drei Tage vor der Straße der Delfine. Die werdenden Eltern hatten gewusst, dass die Chancen für eine rechtzeitige Rückkehr nicht allzu gut standen, nachdem die gesamte Rückfahrt der Dawn Wind von Corisande aus ungewöhnlich lange gedauert hatte. Aber gehofft hatten sie es trotzdem. Und jetzt ...
»Öhm ... Cayleb?«, sagte Sharleyan.
»Ja?«
»Erinnerst du dich, dass ich gesagt hatte, die Fruchtblase sei noch nicht geplatzt?«
»Ja?«, wiederholte er gedehnt.
»Na ja ... das stimmt nicht mehr.«
»Na, wunderbar!« Cayleb blickte zu Sairah hinüber. »Du gehst jetzt da hinaus«, sagte er und deutete auf die kunstvoll geschnitzte Kassettentür des kaiserlichen Schlafgemachs, »und suchst Ehdwyrd! Und dann macht zwischen euch beiden aus, wer von euch Pater Ohmahr hierher schafft. Und zwar jetzt gleich! «
Er sprach mit völlig ruhiger Stimme. Doch Sairah Hahlmyn riss erschrocken die Augen auf.
»Jawohl, Euer Majestät!«, quietschte sie und verschwand wie eine Rauchwolke.
Cayleb Ahrmahk blickte auf die Uhr. Sairah Hahlmyn war schon seit mindestens zwei Stunden fort. Also warum behauptete dieses verlogene kleine Gerät, es seien weniger als zwanzig Minuten vergangen? Er nahm sich vor, das zweifellos defekte Schlagwerk so rasch wie möglich vom kaiserlichen Uhrmacher überprüfen zu lassen.
Aus Sergeant Seahampers früheren Berichten wusste er, dass sich vor der Kaiserlichen Gemächerflucht eine ganze Reihe Diener des Palastes versammelt hatten. Darunter sind doch bestimmt ein paar erfahrene Hebammen , ging es ihm durch den Kopf. Andererseits wollte er nicht, dass irgendein dahergelaufener ...
Die Tür wurde aufgerissen, und Cayleb blickte auf.
»Na, das wird aber Zeit!« Er wusste, dass er nicht sonderlich freundlich klang. Aber im Augenblick war ihm das herzlich egal.
»Ich bitte um Verzeihung, Euer Majestät«, sagte Pater Ohmahr Arthmyn und eilte herein. »Ich hatte leider damit gerechnet, dass Schwester Frahncys mir ein wenig früher Bescheid sagen würde.«
»Ist nicht ihre Schuld!« Sharleyans Stimme wurde zunehmend höher und atemloser und ging dann in eine Reihe wortloser, heftiger Keuchlaute über.
»Ich bin nur froh, dass Sairah Sie gefunden hat«, sagte Cayleb in etwas weniger
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