Haus der Lügen - 8
Harchong, denen die Besatzung der Flash letzten Fünftag den gesamten Fang abgekauft hatte, um Verpflegung für das Geschwader zu haben, standen Thirsk mittlerweile mindestens fünfunddreißig vollständig einsatzbereite Galeonen zur Verfügung. Und seine Schulungs- und Ausbildungsfahrten gingen inzwischen auch weit über den Hankey-Sund hinaus.
Derartige Informationen solltest du nicht ganz für bare Münze nehmen, Gwylym! , sagte er sich. Wer Informationen über die eigenen Leute verkauft, ist häufig keine sonderlich zuverlässige Quelle.
Das stimmte zweifellos. Eigentlich nämlich hatte die Besatzung der Flash die Fischer auch gar nicht für den Fang bezahlt. Diese kleine Transaktion sollte lediglich einen fadenscheinigen Vorwand liefern, falls jemand aus Dohlar oder Harchong missliebige Fragen stellte. Der Skipper des kleinen Fischerbootes könnte dann immer noch erklären, er habe gar keine andere Wahl gehabt, als seinen gesamten Fang auszuhändigen. Schließlich sei da plötzlich ein charisianischer Schoner mit zehn Geschützen an Bord aufgetaucht und habe diesen Handel ›vorgeschlagen‹! Der Skipper hatte sogar ausdrücklich nach der Flash – oder einem anderen von Manthyrs Schiffen – Ausschau gehalten, gerade um ihnen Informationen zu verkaufen. Das hätte Manthyr unter gewöhnlichen Umständen schon misstrauisch gemacht.
Doch gerade dieses Fischerboot gehörte zu den regelmäßigen Besuchern vor der Dohlar-Bank. Während des Aufenthalts auf der Fundinsel hatte der Skipper dem Geschwader reichlich Fisch verkauft. Wie die meisten bürgerlich geborenen Harchongesen betete er täglich aufs Neue darum, Gott und die Erzengel mögen die offiziellen Vertreter der Harchong-Bürokratie beschützen und glücklich und zufrieden werden lassen ... und ihm möglichst weit vom Hals halten. So war der Stützpunkt auf der Fundinsel einer seiner beliebtesten Anlaufhäfen geworden. Das charisianische Geschwader zahlte ihm einen deutlich besseren Preis, als er jemals an einem anderen Ort erzielen könnte. Außerdem war der Skipper unter diesen Umständen auch nicht gezwungen, den üblichen Tribut an den Hafenmeister und ein halbes Dutzend anderer untergeordneter Amtspersonen zu entrichten.
Während ihrer diskreten Transaktionen waren der Fischer und Manthyr einander mehrmals begegnet. Ja, Manthyr hatte sogar das eine oder andere Mal ein Glas Whisky mit dem Mann getrunken. So war etwas entstanden, das ein wenig über eine reine Geschäftsbeziehung hinausging, auch wenn es bei weitem noch nicht ausreichte, um ›Freundschaft‹ genannt zu werden. Manthyr hatte keinerlei Zweifel daran, dass der Fischer ein gerissener Bursche war. Er musste wissen, dass der Kommandeur einer fremden Streitmacht nur dann mit dem Skipper eines einfachen Fischerboots derart freundschaftlich verkehrte, wenn besagter Kommandeur es bewusst darauf anlegte, sich Informationsquellen warmzuhalten. Allerdings war bemerkenswert zu beobachten, dass der Skipper daran anscheinend ebenfalls Interesse hatte. Viele Harchongesen niedriger Geburt verabscheuten den eigenen Adel und all die korrupten Bürokraten in dessen Diensten. Daher war eine gewisse Bereitschaft, besagte Aristokraten und Bürokraten auflaufen zu lassen, natürlich verständlich. Doch bei Interessen der Kirche ebenso zu verfahren, war etwas anderes. Manthyr war mittlerweile zu dem Schluss gekommen, der Skipper müsse seine Gründe dafür haben.
Also: Nein, er, Manthyr, war nicht bereit, die Informationen und die unterschwellige Warnung, die er von diesem Fischer erhalten hatte, zu ignorieren. Aber er nahm sie auch nicht unkritisch für bare Münze. Das Berichtete jedoch passte gut zu den anderen Informationsfetzen, die Manthyr erreichten. Zudem wäre es von Thirsk vernünftig, in genau dieser Art und Weise vorzugehen.
In Yu-Shai hast du denen ganz schön die Bärte angesengt , sagte Manthyr sich selbst und betrachtete erneut die bedrohliche, purpurrot-schwarze Wolke, die immer näher kam. Langhorne allein weiß, wie viele Tausend Mark der Schiffsbedarf und die Geschütze wert gewesen sind, die du auf den Meeresgrund geschickt hast. Aber wenn Thirsk wirklich schon so viele Schiffe auf See hat, ist es wahrhaftig Zeit, wieder nach Hause zurückzukehren. Tiefer in den Golf hineingedrängt werden, willst du also tunlichst nicht!
Das Problem war: Manthyr hatte nicht allzu viel Einfluss darauf, wohin er geweht würde.
»Also gut, Raif«, sagte er, »ich glaube nicht, dass es bald besser wird.
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