Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf

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nur testen? Sollten sie etwa …?

    »In Rom hat es einst Wettkämpfe gegeben, Tierhatzen.« Jaroslav hatte ihre Gedanken gelesen – was er ja tatsächlich konnte – und mischte sich wieder ein. »Es wurden die gefährlichsten Tiere der damaligen Zeit eingefangen und in den Arenen aufeinander losgelassen oder sie wurden auf Menschen gehetzt. Es könnte doch sein, dass Kithara für eine solche Veranstaltung gedacht ist, für einen Tierkampf. Der Kaiser liebt solche Spektakel.«
    Julia sah umher. In den Tiergesichtern regte sich nichts. Womöglich hatte keines der Wesen begriffen, worüber sie sich unterhielten.
    »Um das zu erfahren, müssen wir Messer Arcimboldo finden. Nur er kann uns diese Fragen beantworten – und uns womöglich helfen.« Jan sah in die Runde. Es regte sich kein Widerspruch. »Kithara muss die Höhle verlassen und nach ihm suchen. Sobald er ihn gefunden hat, müssen wir Messer Arcimboldo befreien«, sagte Jan.
    »Wenn ihr mir sagt, wo ich suchen soll«, erwiderte der Kater.
    »Deshalb sind wir eigentlich hierhergekommen. Wir haben nach Euch gesucht, Jaroslav. Ihr solltet wissen, wo sich Messer Arcimboldo aufhält«, sagte Julia.
    »Es gibt noch ein Problem«, sagte Jan leise. »Eines, das wir bislang noch nicht erörtert haben. Wenn Contrario-Buntfinger Kithara verändert und ihn als misslungen verworfen hat, warum hat er nicht einfach die Leinwand zerstört? Kithara wäre verschwunden, das Problem wäre gelöst.«
    Die Stille wurde eisig. Kithara hatte sich bei den letzten Worten aufgerichtet und den Rücken zu einem Buckel gekrümmt. Der unausgesprochene Verdacht, den Jan in den Raum gestellt hatte, füllte die Höhle aus, als wäre sie damit ausgegossen worden. Nicht einmal das Tropfen, das sie
bislang begleitet hatte wie das Ticken eines Uhrwerks, war mehr zu hören.
    »Weil er nicht über das Bild verfügt!«, sagte Jaroslav. »Er hat es nicht zur Hand.«
    »Nein, weil sonst aufgefallen wäre, dass Contrario jene Kunst längst beherrscht, die ihm Messer Arcimboldo verbieten wollte!«, setzte Julia endlich hinzu. »Kithara war womöglich eines seiner ersten Werke.«
    Die Augen der Kreatur, deren öliger Schimmer sich kurzzeitig verdunkelt hatte, hellten sich wieder auf. Die gesträubten Haare glätteten sich. Nur der Buckel blieb, als hätte man eine Bogensehne gespannt.
    »Ihr müsst uns helfen, Jaroslav. Um all unsere Fragen zu klären, müssen wir Messer Arcimboldo finden.« Sie nickte ihm aufmunternd zu. »Versucht es.«
    »Es ist nicht leicht, Julia«, sagte der. »Visionen strengen mich ungeheuer an.«
    »Ihr müsst es dennoch versuchen. Mir zuliebe.«
    Kaum hatte sie den Wunsch ausgesprochen, bebte die Erde und es riss sie von den Beinen. Erdreich bröselte von den Wänden, der Boden, eben noch voller lebendiger Wärme, kühlte aus. Im Dach über ihnen bildeten sich Lücken, durch die das Sonnenlicht fiel, und alle zitterten und schwankten und purzelten übereinander.
    Der Leu!, fuhr es Julia durch den Kopf. Der Leu hat eine Möglichkeit gefunden, in die Höhle vorzudringen! Sie lag auf dem Rücken und blickte in den gleißenden Himmel über Prag, der sich klar und wolkenlos über ihnen spannte, wo sich noch vor wenigen Momenten eine Höhlendecke befunden hatte, und der sie kurzzeitig blendete.
    Durch die Erschütterung hatte Jan sie losgelassen Sie tastete nach seiner Hand, fand sie aber nicht sogleich. »Jan? Wo bist du?« Als niemand antwortete, stieg Panik in ihr
empor. Ihre Augen gewöhnten sich rasch an die Helligkeit. Julia erkannte, dass sie alle in einer kleinen Senke lagen, die Regen und Schnee in vielen Jahren in den Burghang gegraben hatten. Das Dach der Höhle war verschwunden. »Jan? So sag doch etwas!«, kreischte sie verzweifelt.
    »Hier bin ich«, murmelte Jan und seine Finger fanden in die ihren zurück. Sie krampften sich regelrecht zusammen, so sehr war ihr der Schreck in die Glieder gefahren.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie leise.
    Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Das Gebrüll des Leu hallte in einem Dreiklang über die Stadt und machte Julia schlagartig bewusst, dass sie nicht mehr vor ihm geschützt waren.

24
    Der Retter
    D er Leu konnte überall sein. Jan duckte sich hinter eine niedrige, bröckelige Mauer, die wie aus dem Nichts erschienen war und einen Einschnitt im Gelände von der engen Gasse abtrennte. Vermutlich war es die ursprüngliche Abriegelung nach dem Burgberg hin gewesen. Das Höhlenwesen, das sie alle geschützt und zugleich