Haus der roten Dämonen
ihr, obwohl er ihre Hand umfasst hielt. Er war bei diesem Löwenwesen.
»Dann kann der Leu nicht von Messer Arcimboldo sein«, sagte Jaroslav in die Stille hinein.
Jan zuckte sichtlich zusammen, als der Scholar seine Schlussfolgerung verkündete.
Sofort sprang Jan auf und versperrte nun seinerseits den Weg zum Ausgang. »Es gibt ein Lebewesen, das in dieser Höhle aus- und einspazieren kann, wie es will. Es ist kein Geschöpf Contrarios, aber auch nicht mehr ganz ein Geschöpf Messer Arcimboldos.« Langsam wanderten ihre Blicke hinüber zu Kithara, der sich auf alle vier Pfoten gestellt hatte und dem sich jetzt die Rückenhaare sträubten. »Bei Kithara müssen beide, der Maler und sein Adlatus, ihre Finger im Spiel gehabt haben.«
Kithara fauchte unmissverständlich. »Ohne mich lägt ihr längst verdaut im Magen des Leu. Wenn er auch drei Köpfe hat, so hat er doch nur einen Magen!« Er fauchte erneut und entblößte dabei die nadelartigsten Zähne, die Julia je gesehen hatte. Solche Zähne gehörten doch nicht ins Maul eines Katers! Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Kithara war tatsächlich ein Wesen, das sowohl von Messer Arcimboldo als auch von Contrario geschaffen worden war.
»Es gibt noch einen zweiten Grund, warum Messer Arcimboldo diese Wesen hier versteckt hält«, sagte sie. Alle
Geschöpfe drehten sich zu ihr um, als hätte sie eine bedeutende Wahrheit verkündet.
»Und welchen?«, fragte Jan.
»Schau dir Kithara an«, sagte Julia. »Er wurde vermutlich von Messer Arcimboldo gemalt. Die Signatur auf dem Fell beweist es. Aber würde dein Meister einem Kater Nadelzähne und messerscharfe Klauen malen? Für einen Festumzug vermutlich nicht!«, beantwortete sie ihre Frage gleich selbst. »Die stammen von Contrario. Er hat sie dem Tier eingezeichnet, nachdem es fertig war – aber eben noch nicht lebendig.«
Stille herrschte. Man hörte irgendwo Tropfen fallen.
Endlich klarte auch Jans Blick auf, und seine Augen leuchteten für einen kurzen Moment, als würden sie glühen. Als er sich erhob, ließ er Julias Hand nicht los, sondern zog sie näher zu sich heran.
»Natürlich. Messer Arcimboldo hat das geahnt. Ich glaube, er hat seine Figuren hier versteckt, weil er befürchtete, Contrario würde mit ihnen das machen, was er mit der Chimäre angestellt hat, gegen die Heinrich von Stackelberg gekämpft hatte.«
Jaroslav verzog keine Miene, doch in seiner Stimme lag Genugtuung. »Was hat er denn mit ihr gemacht?«
»Messer Arcimboldo hat geflucht«, erzählte Jan, »weil die Krallen des Untiers zu scharf und das Gebiss zu kräftig ausgefallen waren. Contrario hat das Wesen verändert.«
»Der Adlatus macht diese Lebewesen gefährlicher!« Julia nickte mit dem Kopf. »Das würde zumindest erklären, warum sie alle hier versammelt sind.« Julia deutete auf die Wesen, die wie stumm und beinahe unbeteiligt herumstanden.
»Dieser Contrario kann so lange auf ein Bild Einfluss nehmen, solange es noch nicht zum Leben erweckt ist.«
Jaroslav ergänzte die Gedanken Julias. »Das hat er bei Kithara getan …«
»… und vermutlich auch bei der Chimäre im Vladislav-Saal«, ergänzte Jan sofort.
»Genau! Messer Arcimboldo hat seine Wesen schon lebendig werden lassen, damit Contrario keine Veränderungen mehr an ihnen vornehmen konnte.« Sie wandte sich an Kithara, der sich wieder hingesetzt hatte, dessen Körper jedoch wirkte wie eine gespannte Sehne. »Kithara, als wir uns das erste Mal begegnet sind, warst du verletzt. Wer hat dir die Wunde zugefügt?«
Der Kater erhob sich auf seine vier Beine und drehte sich einmal im Kreis, dann ließ er sich ganz auf den Boden nieder. Die Aufgeregtheit wich aus seinem Körper und er schnurrte.
»Contrario hat die Chimäre aus dem Vladislav-Saal auf mich gehetzt, weil er mich offenbar für nicht gelungen hält«, sagte er.
»Du hast also allen Grund, dem Adlatus nicht zu helfen, nicht wahr?«, fragte Jan.
Alles verstummte und die Stille wurde regelrecht greifbar in der Höhle. Sogar die Wände schienen die Antwort zu fürchten.
»Ich hasse diesen … diesen Quacksalber, der uns zu Spielbällen seiner Launen macht«, maunzte der Kater zurück.
»Dann sind die Wesen hier eigentlich in Sicherheit«, ergänzte Jaroslav und rieb sich das Kinn. Er schien nicht recht von seiner Schlussfolgerung überzeugt.
Julia ließ den Kater nicht aus den Augen. Was um alles in der Welt hatte die Chimäre dazu bewogen, sich mit Kithara zu messen? Oder sollte sie den Kater
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