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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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blickte Jan so mahnend in die Augen, dass der verlegen den Blick senkte. »Prag ist groß. Die Chimäre kann ihn überall hingebracht haben«, erklärte Jan und malte mit der Spitze seines großen Zehs einen Kreis in den Boden. »Dass die Kreatur ihn irgendwo hingebracht hat, wo sie aus- und eingehen kann, ohne dass sie bemerkt wird, war klar – und der Ort muss leer stehen, damit genug Platz ist. Dafür hätte ich ihn«, er sah kurz zu Jaroslav hinüber, »nicht gebraucht. Oder habt Ihr noch etwas anderes gesehen?«
    Jaroslav schüttelte den Kopf. Dann runzelte er die Stirn, als würde er sich an etwas erinnern.
    »Ich habe noch gesehen, wie ein Falke auf dem Sims eines der Fenster landete. Er schien überrascht zu sein von dem Besucher auf dem Stuhl. Dann passierte etwas … es ist nicht zu beschreiben. Es war eine Art Schatten, der am Fenster vorbeizog … und der Falke saß dort nicht mehr, sondern nur noch eine Handvoll Federn stob auseinander.«
    Jan verdrehte die Augen. Was war das für eine Vision? Damit konnte er nichts anfangen. Sie war schlicht überflüssig. Sie hätten zu Rabbi Löw gehen sollen. Noch bevor der Leu die Brücke besetzt hatte. Der Rabbi hätte sicherlich Rat gewusst.
    »Hast du Falke gesagt?«, fragte Julia. Sie hatte offenbar eine Idee.
    Der Scholar nickte nur.
    »Falken landen nicht einfach auf Fenstersimsen. Sie landen auf Türmen. Sie nisten dort und ziehen ihre Jungen in der Höhe auf.« Julia stockte, weil sie nachdachte. Ihre Nasenspitze rötete sich dabei leicht, was Jan gefiel. »Sie landen auf Kirchtürmen.« Aufgeregt packte sie Jaroslav am Arm.
»Denk noch einmal genau nach! Schau aus einem der Fenster. Siehst du etwas? Ein Gebäude, eine Kirche, den …«
    »Ich sehe den Hradschin«, stieß Jaroslav hervor. Er hatte die Augen geschlossen und versuchte, sich erneut auf seine Vision zu konzentrieren. »Durch eines der Fenster kann man den Hradschin sehen. Er liegt … nicht allzu weit oberhalb.«
    Triumphierend wandte sich Julia zu Jan um. »Wir haben ihn. Er sitzt in einem Kirchturm. In einem Kirchturm, von dem aus man den Hradschin sehen kann.«
    »Gratuliere«, antwortete Jan müde. »In Prag gibt es etwa einhundert Kirchen mit Türmen und beinahe von jeder aus kann man den Burgberg sehen. Wo also sollen wir anfangen?«
    Julia senkte verlegen den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
    »Ihr müsst mit der Teyn-Kirche beginnen. Nur auf der Teyn-Kirche hat sich dieses Jahr ein Falkenpärchen angesiedelt«, murmelte der Scholar. »Ein weiteres Pärchen haust im Veitdom. Doch von dort aus kann man den Hradschin nicht sehen.« Er lächelte schwach. »Ich bleibe hier. Ich bin zu schwach, um mit euch zu gehen.«
    Jan sah überrascht auf. Das konnte stimmen. Contrario hatte irgendwann etwas von einer »Zinnenkirche« gefaselt. Die einzige Kirche mit Zinnentürmchen war die Teyn-Kirche, deren beide Türme spitz in den Himmel über Prag stachen. Man konnte auf den Umgang hinaufgehen und von oben den Marktplatz beobachten. Was den Zugang zum Turm erleichterte. Die Türen waren nie abgesperrt, weil immer wieder Anwohner oder Fremde auf den Umgang hinaufwollten.
    »Worauf warten wir noch?«, fragte Jan.
    »Wie willst du hinüberkommen? Auf der Brücke kämpfen
die beiden Kreaturen«, dämpfte Julia seine Euphorie. »Wir müssten schon fliegen.«
    »Oder ein Boot nehmen. Aber das hat uns schon einmal fast das Leben gekostet«, schränkte Jan ein. Er überlegte krampfhaft, wie sie den Wechsel ans andere Moldauufer bewerkstelligen könnten. Doch es gab nur diese beiden Möglichkeiten: Boot oder Karlsbrücke, die einzige Brücke weit und breit. Beides war ein Todesurteil, solange dort die Bestien miteinander rangen.
    Jan fasste einen Entschluss: »Lass uns zum Ufer hinuntergehen. Vielleicht springt uns dort eine Lösung ins Auge. Hier hocken und nichts tun ist zu wenig.«
    Julia nickte und rappelte sich auf. Jan nahm sie an der Hand. Beide drehten sich zu Jaroslav um, der nur abwinkte.
    »Ich kann mich kaum bewegen, geschweige denn rennen oder klettern.« Er lächelte bedauernd. »Ich wäre gerne mitgekommen.«
    »Soll ich dich stützen?«, fragte Jan. Doch das Angebot war eher eine hilflose Geste. Er hätte den massigen Studenten niemals lange schleppen können.
    Jaroslav grinste. »Ich komme nach, wenn ich wieder bei Kräften bin. Wir treffen uns …«
    »… bei Rabbi Löw«, ergänzte Julia rasch.
    Der Scholar nickte. »Ich werde ihn finden. Jetzt ab mit euch

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