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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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als dass ein handlanger Schlüssel hätte verborgen bleiben können. Doch er fand ihn nirgends. Enttäuscht ließ er die Schultern sinken und hockte sich auf seine Fersen. Er starrte das Ei in der Ecke an, das nicht beschädigt war und vor dem dunklen Hintergrund rötlich leuchtete, als würde eine schwache Kerze in ihm brennen. Vermutlich hatten die beiden Kreaturen doch noch aus der Dachstube fliehen können. Sie hatten den Schlüssel mitgenommen und sich erst in der Luft über Prag aufgelöst. Der Schlüssel lag jetzt irgendwo auf einem Dach oder in der Gosse oder versank gerade in einer schlammigen Pfütze. Er war für immer verloren – und mit ihm Julia. Denn deren Versteck würde er vermutlich nicht schnell genug finden.
    Jan saß da, nahm sein Gesicht in die Hände und verfluchte seine Unachtsamkeit und seine verdammte Neugier, die ihn nicht sofort sein Zerstörungswerk hatten beginnen lassen. Mehrmals biss er sich auf die Unterlippe, sodass er schließlich einen Geschmack von Blut auf der Zunge verspürte. Er hätte nicht nur die Rettung Prags in Händen gehalten, sondern auch die Julias. Und er hatte versagt. Wütend fuhr er auf, nahm seine Stichwaffe in die Hand und schlug auf das Ei ein. Doch es zerbrach nicht, sondern glitt
nur beiseite. Die Sparren des hölzernen Dachstuhls sparten unter der Ziegeldeckung eine Lücke aus. Dort hinein rollte das Ei und rutschte die Schräge hinab, bis es von einer Querlatte aufgehalten wurde. Jan sah es unter sich glühen, zu weit weg, um es zerstören zu können.
     
    Julia kam wieder zu Bewusstsein. Sie blickte nach unten. Das Blut lief nicht mehr in die Schüssel. Das Rinnsal war versiegt. Doch die Schüssel selbst war gut gefüllt.
    »Kommt Ihr wieder zu Euch, Jungfer Julia? Das ist schön. Ich möchte nämlich Eure Augen malen. Ich kenne sie natürlich. Sie sind ein wahres Wunder, Jungfer. Doch nach dem Gedächtnis zu malen ist etwas anderes als nach der Natur. Also seht mich einfach an.«
    Nur langsam sickerten die Worte in Julias Gehirn. Ihr war es, als sei alles verlangsamt und verzögert, als habe die Welt zu bremsen begonnen. Der Geschmack in ihrem Mund war bitter und die Zunge klebte ihr am Gaumen.
    »Ihr seid ein … Scheusal!«, krächzte sie. »Wie könnt Ihr nur … solche Gedanken haben?«
    Contrario stieg von seinem Malersitz herunter und umrundete den Stuhl, auf dem Julia saß.
    »Ihr werdet mich noch kennenlernen. Ich bin durchaus gnädig, Jungfer. Ihr werdet einschlafen und nicht mehr aus diesem Schlaf erwachen – und nichts davon mitbekommen, wenn ich Euer Herz öffne. Das ist besser, als bewusst Schmerzen zu erleben oder gar offenen Auges den Tod zu schauen.«
    Julia graute vor diesem Menschen. Sie versuchte, etwas zu sagen oder den Kopf zu schütteln, doch ihr fiel alles so unendlich schwer. Eine Welt lastete auf ihrer Brust und nahm ihr den Atem.
    »Ihr solltet mich nicht verurteilen, Jungfer Julia. Ich halte
mich an ein Rezept, das Messer Arcimboldo bereits einmal angewandt hat. Zufällig habe ich es gefunden.« Contrario lachte. »Nun, nicht ganz zufällig. Aber Euer neuer Freund, dieser Jan, er hatte eine Mutter, in der Chimärenblut pulste.« Sie hörte Contrarios Worte aus weiter Ferne. Es bereitete ihm offenbar Freude, ihr wehzutun. »Wusstet Ihr, dass man mit seinem Blut auch die Wesensmerkmale des Sterbenden übertragen kann? Man braucht nur mehr von dem roten Saft. Und je näher er am Herzen gewonnen wird, desto wirksamer ist er. Messer Arcimboldo hat es nicht nur niedergeschrieben, er hat sogar für Jans Mutter solch ein Herzblut verwendet. Er hat das Blut seiner Dienstmagd entnommen, weil sie so eine willige und freundliche Person war. Leider ist sie ihm … gestorben«, wieder kicherte Contrario. Julia konnte ihn immer schlechter verstehen, war jedoch entsetzt. »Ich habe ihm geholfen, sie im Garten zu begraben, die echte Magd natürlich … und die neue hat ihren Platz eingenommen. Mehr oder weniger geschickt. Verurteilt mich also nicht.«
    »Mörder …«, hauchte Julia. »Feiger Mordbube!« Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihre Stimme. Alles rückte ab von ihr, als würde die Welt sich weiten und davonsegeln.
    »Wartet noch ein wenig. Ich muss nur noch die Haare malen. Für Eure Augen, Jungfer Julia, werde ich dann Euer Blut nehmen. Schmerzlos, wie versprochen.«
    Der Adlatus stieß seine Atemluft durch die Nase aus, als wäre es für ihn zu viel, sich mit ihr zu unterhalten. Er kam mit seiner Nase ganz dicht an ihren Hals

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