Haus der roten Dämonen
Porträt haben. Ihr seid mir zu störrisch, Jungfer Julia. Ich werde sie mischen, ich werde sie so zusammenstellen, wie ich sie gerne hätte. Ich werde daraus meine Jungfer Julia erschaffen.« Die Zunge des Adlatus schnellte wieder zwischen die Lippen, und es sah für Julia kurzzeitig so aus, als würde eine Schlange sie porträtieren.
Julia schloss die Augen. Jetzt begriff sie, was der Malergeselle mit ihr vorhatte. Er würde sie zur Ader lassen, wie er es bei Großvater getan hatte. Aber er würde das Blut verwenden. Ihr letztes Blut verwenden, um sie …
»Ihr könnt mich nicht lebendig machen«, sagte sie. »Dazu braucht Ihr einen besonderen Firnis, nicht wahr? Jan hat mir davon erzählt. Erst dieser Firnis belebt die Dinge.«
Contrario rutschte verärgert von seinem Malstuhl und trat wieder vor Julia hin. »Ihr wisst gut Bescheid. Leider habt Ihr ebenso wenig wie mein Meister begriffen, wie es tatsächlich funktioniert. Durch dieses Gefäß hier«, er streckte seinen Arm aus und zeigte auf die Ader in seiner Armbeuge, »läuft so viel Blut meines Meisters, dass ich jedes Wesen auf meinen Bildern zum Leben erwecken kann, das mir zusagt.«
»Ihr lügt! Ihr müsst immer noch die Vorlagen anderer verwenden«, stichelte Julia.
Contrario herrschte sie unwillig an: »Was wisst Ihr
schon? Für meine Gestaltung hat er sich nämlich besondere Mühe gegeben und mehr von seinem Blut verwendet, als unbedingt nötig gewesen wäre. Jetzt fließt es in meinen Adern und macht mich mächtig. Das hatte er nicht bedacht!« Der Adlatus wandte sich ab, drehte sich um seine eigene Achse und hüpfte dazu kurzzeitig einen wilden Tanz. Plötzlich hielt er abrupt inne, als hätte ihn irgendetwas gestoppt. »Lasst uns beginnen, Jungfer Julia.« Er trat an ein Tischchen, auf dem eine Schüssel und ein Krug standen. Julia hatte sie bislang für Waschzeug gehalten. Jetzt entnahm er dem Becken einen Schnäpper. »Krempelt bitte Euren Ärmel nach oben, Jungfer«, säuselte Contrario. Julia wehrte sich verzweifelt, doch die Kleidung ließ keine Bewegungen zu. Erst als ihr Unterarm frei lag, konnte sie den Arm bewegen, ihn zu sich her beugen und so verhindern, dass der Adlatus an die Vene kam.
»Ts, ts, ts!«, tadelte Contrario, schnippte mit dem Finger und der Ärmel schob sich wieder tiefer hinab. »Dann eben an einer anderen Stelle.«
Er stellte die Schüssel unter die Armlehne, drehte Julias Hand so, dass das Handgelenk frei lag. Wie ein Schraubstock klemmte die Kleidung ihren Arm ein. Dann legte Contrario den Schnäpper dort an, zog die Feder auf und ließ die spitze Klinge vorschnellen. Ein scharfer Schmerz fuhr Julia durch den Arm. Zuerst geschah nichts, doch dann begann langsam ein Rinnsal in die Schüssel darunter zu fließen und deren Boden mit hellem Blut zu bedecken.
Contrario setzte sich wieder auf seinen Malstuhl und begann, mit Leinöl und Eigelb auf einer Palette Farben anzumischen. »Wir werden uns noch eine ganze Weile unterhalten können, Jungfer Julia«, sagte er grinsend. »Das ist nur die Vorbereitung. Es sollte nicht zu schnell zu Ende gehen.«
Julia wollte die Blutung aufhalten, wollte sich wehren, doch ihr Ungestüm führte nur dazu, dass sich der Strahl verstärkte und immer mehr rote Flüssigkeit aus dem Handgelenk gepresst wurde. Sie wurde still, lehnte sich zurück und betete, dass Jan sie rechtzeitig finden würde.
Jan holte aus und zerschlug mit einem kräftigen Hieb die Leinwand an einen Balken. Der Rahmen zersplitterte, und er zog einen Holm daraus hervor, der spitz genug war, um sich mit ihm zu wehren. Er hatte keine Angst davor, von dem Wesen angegriffen zu werden, denn vermutlich war es ebenso wenig dazu in der Lage, ihn zu töten, wie der Dreiköpfige. Was Jan allerdings entdeckt hatte, war etwas anderes.
»Nun, mein Freund«, flüsterte er mehr zu sich als zu der Tagfledermaus. »Kennen wir uns nicht?« Jan trat einen Schritt vor und stach zu. Doch er stach nicht in Richtung des Wesens, sondern hinein in die sechs oder sieben aufgereihten Leinwände neben dem Nest. Die Kreatur zischte und fauchte, als sich ein Gitternetz blauer Flämmchen und Entladungen über die Bilder hinzog, dann war es vorbei.
»Nun, diesmal habe ich dich nicht getroffen«, sagte Jan voller Bedauern und zog seine Stichwaffe wieder zurück. »Ich werde es mit den Bildern in deiner Nähe versuchen, mein dunkler Freund.«
Jan streckte seine Waffe vor und näherte sich der Tagfledermaus. Doch so plump, wie sie aussah, war
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