Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
Vom Netzwerk:
sie keineswegs. Bevor Jan reagieren konnte, war sie gesprungen und hatte ihm eine ihrer Flügelkrallen in den Oberarm gestoßen. Ein siedender Schmerz durchfuhr ihn und er hätte beinahe seine Waffe fallen gelassen. Helle Blitze zuckten über seinen Arm und schlossen für eine kurze Zeit das Wesen ein,
das wie von einer Faust getroffen in die hinterste Ecke der Apostelstube geworfen wurde. Dabei stolperte er über den Nestbau und stieß das Ei gegen eine der Apostelfiguren. Ein heiseres Krächzen sagte ihm, dass er das nicht hätte tun sollen. Jan wirbelte herum, warf nur einen kurzen Blick auf seinen Oberarm, auf dem der Funkenflug weiterging. Innerhalb weniger Augenblicke schloss sich die Wunde. Er stach in die Sammlung der Bibliothek der Bilder. Wieder tanzten blaue Flammen über die Rahmen und erloschen. Wieder hatte er die Tagfledermaus nicht erwischt.
    »Du bist ein zäher Brocken, mein Freund«, knurrte Jan. Er ging auf die Kreatur zu, die in der Ecke hockte und ihm die Krallen eines Beines entgegenstreckte. Plötzlich hielt Jan inne. Das Wesen war ihm tatsächlich schon einmal begegnet. In der anderen Fußkralle hielt es nämlich einen Gegenstand, der ihn sehr interessierte: Rabbi Löws Schlüssel.
    »Gib ihn her!«, befahl Jan und streckte die Hand nach dem Schlüssel aus. Blitzartig erkannte Jan die ungeheuren Möglichkeiten dieses Schlüssels. Er konnte sowohl die Turmstube erreichen, in der Messer Arcimboldo gefangen gehalten wurde, als auch Julia finden. Schließlich würde ihn die Tür, die er durchschritt, überall hinbringen, wohin er wollte. Ihm wurde ganz heiß bei diesem Gedanken.
    Doch die Bestie dachte offenbar gar nicht daran, ihm den Schlüssel auszuhändigen. Sie hatte den eroberten Gegenstand in ihr Nest tragen wollen – und dort war sie angegriffen worden. Jetzt wollte der Dämon sein Nest und seine Brut verteidigen. Das jedenfalls war Jans Gedanke, als das Tier auf ihn zuschnellte und ihn mit seinen Flügelkrallen erneut verletzte. Diesmal zog es ihm eine Furche über die Brust und zerfetzte dabei sein Hemd. Zwar gelang es Jan, dem Wesen seine Stichwaffe in eine der Flügelhäute zu rammen,
doch wieder wurde es zurückgerissen und gegen die Wand geschleudert und entfernte sich so aus seiner Reichweite. Der momentane Schmerz nahm Jan die Sicht. Er befürchtete, das Wesen könnte in der Zwischenzeit durch die Lücke im Dach entwischen, doch die Tagfledermaus wollte offenbar unbedingt ihr Nest verteidigen.
    Es gab nur eine einzige Möglichkeit, dem Wesen Herr zu werden: Jan musste seine Leinwand zerstören. Doch auf welcher der vielen noch nicht durchstochenen Gemälde war es abgebildet? Jan erinnerte sich, im Stockwerk unter ihm ein Bild gesehen zu haben, das zwei fledermausähnliche Umrisse zeigte. Würde die Zeit reichen, um hinunterzuspringen, das Bild zu durchstechen und dennoch den Schlüssel zu retten?
    Kaum hatte Jan diese Überlegung angestellt, da wurde sie durch ein weiteres Fauchen in seinem Rücken beantwortet. Die zweite Tagfledermaus saß auf dem unteren Rand der Lücke im Dach, offenbar angelockt durch den Kampflärm in der Neststube. Denken und Handeln waren eins. Jan sprang zur Leiter und ließ sich eher in die Öffnung und damit in die Uhrstube darunter fallen, als dass er die Sprossen hinabstieg. Gleichzeitig kamen sich die Kreaturen über ihm in die Quere. Während die zweite Fledermaus in die Dach – stube wollte, wollte die erste fliehen. Sie stießen zusammen und vergaßen Jan für einen Augenblick. Der hastete am Uhrwerk vorbei und stach willkürlich in alle dort stehenden Bilderrahmen. Jede Leinwand, derer er habhaft werden konnte, wurde vernichtet. Es war wie ein Rausch, wie ein Zwang, der erst dann aufhörte, als im letzten Rahmen nur noch Fetzen hingen.
    Als er das Gefühl hatte, seine Aufgabe wäre vollbracht, blieb er stehen, versuchte, seinen Atem zu beruhigen und durch das Pochen seines Blutes in den Ohren hindurch die
Geräusche aus der Apostelstube über ihm zu deuten. Hatte er die beiden Fledermausdämonen vernichtet? Hatte er sich den Schlüssel zurückerobern können?
    Jan schlich sich zur Leiter und stieg Sprosse für Sprosse vorsichtig nach oben. Doch in der Apostelstube rührte sich nichts. Als er den Kopf durch die Öffnung steckte, stellte er fest, dass die beiden Tagfledermäuse verschwunden waren.
    Rasch erklomm er die letzten Sprossen und stieg ganz nach oben. Sein Blick durchsuchte die Ecken und Winkel. So unübersichtlich war der Raum nicht,

Weitere Kostenlose Bücher