Haus der roten Dämonen
langsam und blickte Jan in die Augen. Sein Gesicht war gerötet vor Verlegenheit. »Stimmt das?«, fragte sie.
Jan antwortete nicht. Sie sahen einander nur an, und Julia hatte das Gefühl, als stürze sie regelrecht in seinen Blick hinein.
»Vier Tage?«, flüsterte sie.
Jan nickte. »Du warst beinahe tot.« Er lächelte schief. »Hattest kaum mehr Blut im Körper.«
Julia schloss die Augen. Sie erinnerte sich noch daran, wie sie müde und immer müder geworden war.
Plötzlich spürte sie auf ihren Lippen eine heiße, ein wenig feuchte Berührung. Sie ließ die Augen geschlossen, denn sehen musste sie nicht, was jetzt geschah. Jans Kuss war schüchtern und ein wenig linkisch, doch es strömte so viel Leben von ihm in sie, dass sie das Gefühl hatte, im selben Moment zu genesen. Dennoch musste sie den Kopf beiseitedrehen. Sie konnte die Luft nicht so lange anhalten.
»Willst du mich umbringen, jetzt wo wir uns gefunden haben?«, fragte sie schnippisch.
»Ich dachte schon, ich würde deine Lippen nie mehr spüren dürfen«, sagte Jan.
Julia öffnete die Augen. Jans Gesicht war ihr ganz nahe. Auch er war von den Gefahren gezeichnet, die er überstanden hatte. Auf seinen Lippen hatten sich kleine blutige Risse gebildet. Am liebsten hätte sie ihm diese sofort weggeküsst.
»Ist es jetzt vorbei?«, fragte sie. »Sind er und seine Dämonen … weg?«
Aber Jan schwieg. Erschrocken weiteten sich ihre Augen. Sie musterte den Jungen, der vier Tage neben ihrem Bett verbracht und sie eben vertraulich geküsst hatte.
»Es wird niemals vorbei sein, Julia«, sagte Jan plötzlich. »Wer weiß schon, wer ein Mensch ist und wer eine Chimäre?« Und dann erzählte er ihr von den beiden Rahmen, die er nicht zerstört, sondern nur Messer Arcimboldo übergeben hatte …
Nachwort des Autors
A uf Lesungen werde ich immer wieder gefragt, was denn wahr sei an meinen Romanen oder ob ich alles erfinden würde. Meine Antwort ist: Manches ist wahr und manches ist erfunden. Wichtig ist mir, dass Erfindung und Wahrheit eine spannende und unauflösliche Verbindung eingehen. Die Geschichte, die ich erzähle, ist natürlich ausgedacht, die Geschichten und Örtlichkeiten in meinem Roman sind es allerdings nicht immer.
So hat es etwa Kaiser Rudolf II. wirklich gegeben. Er wurde 1552 in Wien geboren und starb 1612 in Prag. 1583 hatte er seine Residenz dorthin verlegt. Seit 1576 war er Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Rudolf II. lebte sehr zurückgezogen im Hradschin , der riesigen Burganlage, die sich über der Stadt Prag erhebt. Er hatte kaum Kontakt zum Volk und ließ sich so gut wie nie sehen. Man munkelt heute, dass er unter Schwermut litt, also von depressiven Stimmungen heimgesucht wurde. Im Königspalast des Hradschin befindet sich auch der Vladislav-Saal oder Herrschersaal. Er ist ein gewaltiger, mit einem Netzgewölbe überspannter Saal von 62 Metern Länge, 16 Metern Breite und 13 Metern Höhe. In ihm wurden früher sogar Ritterturniere abgehalten, weshalb eine breite Reitertreppe in den Raum führt. Auch gibt es mehrere Wendeltreppen, von deren Fenstern aus man den Innenraum überschauen kann, wie es Julia und Jan tun.
Kaiser Rudolf II. pflegte eine Vorliebe für ungewöhnliche
Menschen und ungewöhnliche Wissenschaften. Außerdem war er den Künsten zugetan.
Er beschäftigte Männer wie die Physiker, Astrologen und Astronomen Tycho Brahe und Johannes Kepler, denen wir unser neues Weltbild verdanken, das die Sonne in den Mittelpunkt stellt. Sie waren Sternendeuter und Sternenkundler in einer Person. So erstellte Kepler auch Horoskope, obwohl er sich wissenschaftlich mit den Planeten beschäftigte.
Alchemisten , also Goldmacher und frühe Chemiker, ließ Rudolf II. nachweislich im Mihulka-Turm auf dem Hradschin experimentieren. Dort lagen ihre Laboratorien. Rudolf II. glaubte fest daran, sie würden ihm irgendwann Gold herstellen. Manche dieser Alchemisten wohnten wohl in der Goldenen Gasse auf dem Burgberg, die auch Goldmachergässchen heißt. Sie war schmal und eng und beherbergte früher die noch schmäleren und noch engeren Wohnungen der Mauerschützen. Diese überließen sie jedoch bald den Wissenschaftlern.
Ein Meister Gremlin hat dort allerdings nie gearbeitet. Der Name ist einem kleinen verhutzelten Koboldwesen entlehnt, dem Gremlin. Meister Gremlin hat durchaus Anklänge an solch ein Wesen – und da erschien mir der Name einfach passend.
Daneben beschäftigte Rudolf II. viele Maler und
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