Haus der roten Dämonen
er sich mit ihm hätte anlegen können.
Wieder suchte er nach dem Schlüssel in seinem Wams und stieß unverhofft auf etwas anderes: Arcanum splendidum .
Ohne zu zögern, öffnete er den Tiegel, nahm das Pulver und streute es in den Raum. Ein Wirbel entstand, ein Blasen,
Wehen und Sausen, dann stand Meister Gremlin vor ihm.
Der streckte sich und gähnte herzhaft. »D’s Nickerchen h’t m’r g’t g’tan.«
»Meister Gremlin, Ihr?«
»Ach du grüner Koboldschleim, die Geschichte ist immer noch nicht zu Ende. Söhnchen, Söhnchen. Jetzt eilt es aber. Deine Hübsche ist dabei, die Zeit zu verlassen.«
Jan schluckte verlegen. Julia und seine Hübsche! Er schmeckte noch immer ihren Kuss auf seinen Lippen. Gerne hätte er sie gerettet, doch die Umstände führten ihn immer woandershin.
»Ich weiß, ich weiß, Söhnchen. Aber manchmal muss man einfach über seinen Schatten springen. Auch wenn man dabei auf dem … H’s’nb’dn … landet«, sagte der Alchemist und hatte sich gerade noch korrigieren können.
»Auf dem … was?« Jan hatte den Ratschlag nicht recht verstanden.
»Nicht so wichtig. Das … wirst du irgendwann verstehen. Warum hast du mich gerufen?«, drängte der Uralte.
»Ich wusste nicht, dass ich Euch mit dem Arcanum splendidum rufe«, versuchte sich Jan zu rechtfertigen. »Aber da Ihr schon einmal da seid – welches Bild von den dreien zeigt mich?«
Der Uralte hob die Augenbrauen. Er trat nahe an die Rahmen heran, beugte sich über sie und begutachtete alle genau. »Ich hätte noch nicht einmal sagen können, dass die Gemälde überhaupt etwas zeigen.« Seine Nase berührte beinahe den Malgrund. »Aber wenn du mich fragst, sieht dir keines davon ähnlich.«
Jan verdrehte die Augen. »Ich muss sie zerstören, vorher kann ich Julia nicht befreien. Welches also sieht mir ähnlich?«
Wieder schüttelte der Alchemist den Kopf. »Keines davon, sage ich dir. – Warum willst du das wissen?«
»Weil ich es nicht zerstören will. Ich würde mich womöglich selbst auslöschen.«
Jetzt quietschte der Alchemist vor Vergnügen. »Wer hat je so einen Blödsinn gehört?«
»Eines stellt Contrario dar, den Adlatus Messer Arcimboldos. Von den beiden anderen kenne ich keines«, erläuterte Jan. »Die Vorlage für den Leu und das Bild mit der Chimäre habe ich zerstört. Offenbar hat Contrario das Gemälde, das ihn selber zeigte, Messer Arcimboldo gestohlen.«
Der Alchemist lächelte: »Vertrau mir, Jan. Keines davon zeigt dich.«
Jan schüttelte den Kopf, da forderte der Alchemist das Messer.
»Es liegt nicht in der Natur des Menschen, selbst Hand an sich zu legen, das weiß ich sehr wohl. Ich werde für dich die Bilder zerstören.«
Jans Willen weiterzuleben war so unüberwindbar, dass er das Messer fallen ließ, als er es weitergeben wollte. Doch als es auf dem Boden lag und der Alchemist sich danach bückte, konnte sich Jan nicht zurückhalten. »Ich muss die Leinwand selbst zerstören. Contrario – er gehört mir!«
»Vertrau mir, Jan«, drängte der Uralte. »Ich zerschneide jetzt die Leinwand. Vielleicht verschwindet ja der Kaiser oder gar sein Haushofmeister. Oder – ich selbst. Pfft!«
Jan fühlte, wie trotz der Scherze des Uralten sein Mund trocken wurde. Er dachte an Julia. Vielleicht war es vorhin das letzte Mal gewesen, dass er in ihre dunklen Augen gesehen hatte. Wenn die Spitze des Messers die Leinwand durchstieß, konnte es ja durchaus sein, dass er selbst diese Welt verließ. Wer sollte sie dann retten? Er presste die Lippen
aufeinander, damit er nicht schreien musste. Dann forderte er von Meister Gremlin das Messer zurück.
»Es gibt Dinge, die muss man selbst tun!«, sagte Jan. »Mein ganzes Leben hindurch würde ich mir Vorwürfe machen. Wenn Julia nicht mehr leben sollte, dann möchte ich zumindest die Gewissheit haben, dass Contrario durch meine eigene Hand vernichtet worden ist, dieser Plagegeist!«
Der Uralte grinste Jan an. »Der Satz könnte glatt von mir stammen«, sagte er rau und reichte ihm die Klinge.
Jan wog das Schabmesser in einer Hand, dann schloss er die Augen, zögerte kurz – schließlich stieß er die Klinge in die graue Kreidefläche des Gewebes. Und als er die Augen wieder öffnete, hatte sich um ihn herum nichts verändert.
»Siehst du! Manchmal benötigt man einfach nur … ein wenig Glück!« Der Uralte grinste.
»Ihr.. Ihr … Ihr wusstet es nicht?« Jan blieb der Mund offen stehen.
»Woher sollte ich es denn wissen, Söhnchen? Ich wusste ja
Weitere Kostenlose Bücher