Haus der roten Dämonen
er sie gefunden hatte. Dann starrte er sie eindringlich an, und mit einer Stimme, die ihm nicht zu gehören schien, wiederholte er noch einmal: »Haltet Euch von diesem Quacksalber fern!«
4
Die Fehde
W as wollt Ihr hier, Arcimboldo?« Der pummelige kleine Mann fuhr von seinem Stuhl auf. Sein Mund klappte abwechselnd auf und zu und blieb schließlich offen stehen. Das ihnen zugewandte Auge weitete sich, und seine linke Hand wedelte, als wollte er damit lästige Fliegen verscheuchen. Die Haut über den Wangen war kränklich rot, wurde jedoch eine Nuance fahler, als er Arcimboldo erblickte.
»Messer Hans Mont, es freut mich, einen Kollegen und Künstler zu treffen!«, antwortete Arcimboldo. Sowohl die Frage Messer Monts als auch die Antwort Arcimboldos hallten im weitläufigen Saal des Hradschin wider. Dessen hohe Decke ruhte auf einer Flucht starker Halbsäulen an den Wänden und wurde durch gotische Fächerrippen gegliedert. Die Seiten waren mit dunklem Holz getäfelt, was dem Raum eine gewisse Würde verlieh. So groß war der Raum, dass man in ihm mit einem Pferd hätte herumgaloppieren können.
»Aber … ich bin zum Kaiser … eine Audienz bei Seiner Majestät …«
Jan hätte beinahe losgeprustet vor Lachen, denn der Mann war so rundlich dick, dass er befürchtete, der Kerl würde gleich loskugeln und durch das riesige Geviert des Vladislav-Saals rollen. Die Arme standen ab, als hätte man sie ihm nur angeschraubt, und die Beine spreizten sich derart, dass er nur auf den Innenseiten seiner Sohlen gehen konnte. Merkwürdig war auch, dass er ihnen nur eine Seite des Gesichtes zudrehte.
Jans Meister ignorierte das Gestammel des Künstlers. »Wie gelingen die Skulpturen, Messer Mont?«, fragte Messer Arcimboldo nach und es klang wie der harmlose Beginn eines Gesprächs unter Kollegen.
»Ein Bildhauer mit einem Auge hat es weniger leicht als ein Maler«, sagte Messer Mont leise. Seine Stimme zischte, als hätte er einen Sprachfehler.
»Nun, Ihr könnt Euch ja auf die Architektur verlegen, Kollege. Gent, Eure Heimatstadt, wird einen Mann wie Euch sicher beschäftigen wollen.« Obwohl sein Meister höflich blieb und eine gewisse Freude in die Stimme legte, war der Spott unüberhörbar. Offenbar gab es zwischen dem Bildhauer und seiner Heimatstadt gewisse Verwerfungen.
»Der Kaiser hat mich rufen lassen«, triumphierte der Bildhauer kurz.
»Nun, dann bin ich vermutlich – wie Ihr – zum Kaiser oder doch zumindest zu dessen Obersthofmeister bestellt.«
Die menschliche Kugel vor ihnen schluckte hörbar. Beide Hände begannen zu wedeln, als hätte man einen Mechanismus aufgezogen. Jan musste die Zähne zusammenbeißen, sah es doch jetzt danach aus, als wollte der Dicke zu fliegen versuchen. Wie eine Hummel, deren fester Leib durch kleine Flügel bewegt wurde und die plump durch die Luft brummte.
»Aber … äh … die Vorbereitungen des Festumzugs … sie sind … wie soll ich sagen … mein Vorschlag …«, stotterte der Mann und watschelte vor ihnen auf und ab, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»… hat dem Kaiser nicht gefallen«, drang seitlich aus einem Nebenraum die Stimme des Obersthofmeisters hervor. Rückwärts war er daraus hervorgetreten, mit gebeugtem Rücken, und hatte noch im Umwenden die Worte ausgestoßen, als würde er sie von sich schleudern.
Jan schloss daraus, dass sich im Zimmer vor ihm, einem Nebenraum des Kaisersaals, Seine Majestät Rudolf II. befand. Der Obersthofmeister musste sich nämlich nur vor dem Kaiser verbeugen.
Messer Arcimboldo neigte den Kopf, und auch der Dicke versuchte so etwas wie eine Verbeugung, was ihm nicht gelingen konnte, denn dazu hätte er die Körpermitte knicken müssen. Das war jedoch unmöglich. Sein Meister packte Jans Kopf, noch während er den Rumpf beugte, und drückte ihn abwärts.
»Verbeug dich, Kerl!«, zischte er aus den Mundwinkeln heraus.
Jan hatte es vor lauter Schauen vergessen. Hans Mont
hatte ihm nämlich für kurze Zeit das ganze Gesicht zugewandt, und jetzt wusste er, warum dieser ihnen immer nur eine Seite gezeigt hatte. Über die rechte Gesichtshälfte lief eine rote Narbe, als hätte der Mann einen Säbelhieb abbekommen. Dabei musste er das Auge verloren haben, denn dort, wo es hätte sein müssen, gähnte eine dunkle Höhle im Gesicht. Noch bevor sie sich wieder aufrichten konnten, schnatterte der Dicke los.
»Aber … aber … Ihro Majestät … ich habe den Auftrag …«
»… noch nicht sicher. Seine Majestät wollte auch
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