Haus der roten Dämonen
brummendes Geräusch, als wäre ein ganzer Schwarm Hummeln unterwegs.
»Das Tier ist harmlos«, sagte Arcimboldo. Er warf es in die Luft. Der Insektenvogel, der wirkte wie aus japanischem Seidenpapier gefaltet, umflatterte die Gruppe ein paar Mal, ehe er sich auf einer der Verkleidungen der Halbsäulen niederließ. Während seines Fluges verlor er eine Art Sand, der goldglänzend niedersank und den dunklen Boden bestäubte. »Euren Festumzug sollen davon zweihundert begleiten.«
Der Kaiser hatte sich erhoben und klatschte in die Hände. »Wundervoll! Ist das Gold?«
Jan bemerkte, wie Wangen und Augen seines Herrschers ebenso sehr glänzten wie der Staub auf dem Parkettboden.
Verstört von dem Geräusch und von den Menschen, flatterte der Paradiesvogel auf, segelte durch den Raum und ließ sich auf einem Fenstersims nieder.
Jans Gedanken schweiften wieder ab. Wie machte sein
Meister das? Er hatte einen sehr ähnlichen Vogel bereits gesehen, gestern, auf einem der Bilder, die im Eingangsflur herumgestanden hatten. Doch das war nur ein Gemälde gewesen. Leblos. Tot. Es war, als hätte sein Meister das lebendige Modell mitgebracht, nach welchem er sein Bild gemalt hatte.
»Firlefanz, Humbug«, knurrte Messer Mont. Er schnippte mit dem Finger und ein Falke schoss herab von einer der hölzernen Balustraden, die die Säulenumbauten krönten, jagte den Vogel, schlug ihn und zerriss mit wütenden Schnabelhieben dessen bunt schillerndes Federkleid.
»Schade!«, kommentierte der Kaiser und ließ sich wieder in seinen Sessel nieder.
Messer Mont grinste seinen Konkurrenten schief an, doch Arcimboldo nahm das Ereignis mit einem Gleichmut auf, der Jan erstaunte.
Mit einer tiefen Verbeugung kündigte er ein weiteres Ereignis an. »Majestät, ich möchte behaupten und bin da ganz Eurer Meinung, Ritterturniere gehören zu einem Festakt wie der Wein …«
Jan sah, wie der Kaiser huldvoll nickte, dabei hatte Messer Arcimboldo dem Herrscher eine Meinung in den Mund gelegt. Vermutlich konnte sich der gar nicht mehr daran erinnern, etwas Derartiges gesagt zu haben, doch die Tatsache, dass sich ein Untertan daran erinnerte, schmeichelte ihm sichtlich.
»Sie sind Höhepunkt und Demonstration der Macht. Eurer Macht«, fuhr der Maler unbeirrt fort. Er richtete sich wieder auf, und mit einem Blick auf seinen Konkurrenten schoss er einen Pfeil ab, der diesen ins Mark traf. »Lasst Ritter gegen Ritter kämpfen und Ihr werdet Bewunderung erlangen. Lasst Ritter gegen Ungeheuer antreten – und Ihr werdet in die Annalen eingehen.«
Rasch hob er die Hand, weil Messer Mont schon etwas
erwidern wollte. Nach der Falkenattacke hatte er sich in seinem Sessel zurückgelehnt, soweit dies seine Körperfülle zuließ, und zufrieden seinen Bauch gestreichelt.
»Ich darf Euch eine Kostprobe meiner Kunst vorführen?«, setzte Messer Arcimboldo seine Rede fort. »Euer Diener Heinrich von Stackelberg war so freundlich und hat sich – selbstverständlich Eure Zustimmung voraussetzend – bereit erklärt, daran teilzunehmen. Nur ein kleiner Waffengang zwischen ihm und einem … Nun, ich möchte nicht vorgreifen.«
Jetzt erhob sich der Obersthofmeister, von dem Jan noch immer nicht den Namen erfahren hatte, und stützte sich mit beiden Fäusten auf den Tisch. Seine Knöchel waren weiß. Er musste sich zügeln. Mit unterdrücktem Zorn in der Stimme presste er hervor: »Ihr werdet doch nicht jemanden in Rüstung und mit vollem Waffengehänge in die Räumlichkeiten Seiner Majestät gebeten haben?«
»Mein lieber Karl«, beruhigte ihn Rudolf II. »Ich vertraue Messer Arcimboldo. Er hat uns bislang immer amüsiert. Seine Kostüme waren die buntesten, seine Ideen die farbigsten und seine Aufführungen stets die unterhaltsamsten. Sicher hat er sich alles gut überlegt – und einer Steigerung seiner Kunst sind Wir nicht abgeneigt.«
Auch Jans Meister nickte. »Seht, prüft und urteilt danach. Mehr will ich nicht von Euch.«
Er trat einen Schritt beiseite und wandte sich an Jan. Dieser verbeugte sich, und Messer Arcimboldo flüsterte ihm zu: »Auf mein Zeichen hin hol den Stackelberg herein. Dann durchquere den Saal und öffne die Tür, durch die diese Schankmagd gekommen ist. Mach die Flügel auf, dann bleib stehen und rühr dich nicht. Wage nicht einmal zu blinzeln! Wenn es an dir vorbei ist, schließ sofort alle Türflügel.«
Jan wollte fragen, was mit »es« gemeint sei, doch Messer
Arcimboldo wandte sich bereits wieder Seiner Majestät zu. Als Jan
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