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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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Schänke, deren Großvater … Er verbot sich weiterzudenken. Wenn ihr Großvater am Aderlass gestorben wäre, mutmaßte er, dann würde sie sicherlich nicht hier bedienen.

    Seine Augen verfolgten das Mädchen bis zur Tür, hinter der es verschwand. Während sie die Tür aufdrückte, sah er den verdruckten Kopf Contrarios im Türspalt. Dort also wartete der Kerl. Doch was um alles in der Welt hatte er dort zu suchen?
    Zeit zum Nachdenken blieb ihm nicht, denn urplötzlich erhoben sich die drei Männer und wieder verneigten sie sich. Diesmal sogar der Obersthofmeister: Der Kaiser betrat den Saal.
    »Bitte, bitte, meine Herren«, hörte Jan ihn sagen und hob den Kopf. Wie von selbst war sein Blick nach unten gegangen. Ein zweites Mal hatte er sich nicht tadeln lassen wollen. Hajek, der Waisenhausbetreiber, hatte die Jungen gelehrt, was es bedeutete, eine wichtige Lektion nicht zu lernen. Aus den Augenwinkeln schielte er zu dem korpulenten Mann hinüber, der sich jetzt schwer in einen Stuhl fallen ließ, dessen Rückenlehne höher war als die der anderen Sessel.
    »Es muss schnell gehen, die Herren. Die Esse glüht. Wenn ich nicht längstens in einer halben Stunde zurück bin, verdampft mir das Gold. Ich habe eine Idee für einen Ring … und ich will nicht den rechten Zeitpunkt verpassen.«
    Das also war Kaiser Rudolf II., dachte Jan. Den Pragern zeigte sich der Kaiser äußerst selten. Wenn nicht auf dem Hradschin die Fahne des Monarchen geweht hätte, wäre niemand auf den Gedanken gekommen, er wäre anwesend. In seine Wissenschaften vergrub er sich, der Herrscher über das Heilige Römische Reich, schmiedete lieber Goldschmuck, als sich mit den Türken auseinanderzusetzen, die Reichsfürsten zur Räson zu bringen oder einen Ausgleich zwischen Katholiken und Protestanten zu erreichen. Sein verflixtes Zaudern, hieß es auf der Straße, würde ihn irgendwann den Thron kosten. Dabei regierte er ein Weltreich.
Dennoch wirkte der Monarch keineswegs imposant. Er war eher klein, dafür rundlich, mit vollen Backen und bereits vorne schütter werdendem Haar. Seine Augen verschwanden beinahe, wenn er angestrengt blickte oder lachte. Seine Bewegungen waren langsam und von einer trägen Ruhe.
    »Die Herren wissen Bescheid?« Sein Blick war auf den Obersthofmeister gerichtet. Der nickte.
    »Na dann, die Vorschläge, Messer Mont, Messer Arcimboldo. Ich höre!«
    Wieder wurde Jan abgelenkt. Wieder öffnete sich die Tür. Das Mädchen kam erneut. Sie schien hereinzuschweben, jedenfalls kam es Jan so vor. Nur die Fußspitzen waren zu sehen, während sie vorwärtsschritt. Sie blickte auch diesmal nicht auf.
    Jan beobachtete jede Geste des Mädchens, jedes Muskelzucken in ihrem Gesicht. So fasziniert war er von ihrem Wesen und ihrer Schönheit, dass er wieder nicht mitbekam, worüber die Männer redeten.
    »… so soll der Zug aussehen: und am Ende Eure Majestät, sitzend auf einem Schlachtross.«
    Das Mädchen schwebte zurück zur Tür, die sich wie von Geisterhand vor ihr öffnete, und entschwand seinem Blick. Zuvor warf sie aber noch über die Schulter hinweg einen suchenden Blick zurück in den Saal. Jans Herz schlug für einen Moment bis in den Hals hinein. Sie hatte ihn offenbar bemerkt.
    »Jetzt Ihr, Messer Arcimboldo.« Alle Augen wandten sich Messer Arcimboldo zu. »Aber Ihr habt ja keinerlei Entwürfe oder Zeichnungen dabei.« Die Stimme des Kaisers bekam einen müden, beinahe schläfrigen Unterton, der am Satzende unverhohlen drohend vibrierte.
    Messer Arcimboldo erhob sich, und mit einem Wink seiner Hand befahl er Jan, es ihm gleichzutun.

    »Majestät, die Welt ist voller Wunder. Sie wird von sichtbaren und unsichtbaren Wesenheiten bevölkert, deren Gestalt wir uns nicht einmal im Traum vorstellen können. Doch sie sind verstreut über die Länder und Kontinente. Wir haben nur deshalb viele dieser Geschöpfe noch niemals zu Gesicht bekommen, weil es dem Menschen während seines kurzen Lebens nicht vergönnt ist, sie aus ihren Winkeln und Verstecken hervorzulocken. Doch wir werden nicht aufhören, sie zu suchen. Und wir werden sie finden, um ihre Geheimnisse zu ergründen.«
    Messer Arcimboldo machte einen Schritt nach vorne und hielt plötzlich in seiner Hand ein Lebewesen, das aussah wie eine karmesinrote Fliege, allerdings von der Größe einer Amsel. Es war bunt, mit seidenen Schwanzfedern in überirdischer Schönheit und zwei überlangen dunkelroten Nackenfedern. Nervös schlug es mit den Flügeln und verursachte ein

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