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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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durch einen zähen, klebrigen Brei arbeiten. Er versuchte, sie zu übertreten, er bemühte sich, den Fuß auf das erste Dielenbrett zu setzen, doch es gelang ihm nicht. Irgendetwas sperrte sich in ihm.
    »Wo bleibst du, Kerl?«, herrschte ihn Messer Arcimboldo an.
    Dies stachelte seinen Ehrgeiz an. Mit einer Gewaltanstrengung, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieb, gelang es ihm, die Hemmschwelle zu überwinden und den Dielenboden zu betreten. Erschöpft legte er die letzten Meter zu Messer Arcimboldo zurück, schwerfällig, als wäre er ein alter Mann.
    »Ich wusste es«, begrüßte ihn dieser und lächelte übers ganze Gesicht. »Ich wusste es.«
    »Was wusstet Ihr?« Jan war befremdet. War das eine Prüfung? Unklar erinnerte er sich an die Andeutungen, die Hajek gemacht hatte, Messer Arcimboldo würde ihn sich holen … hatte er damit gemeint, weil er ein Hexenbalg war?
    »Niemand kann die letzte Stufe überschreiten. Niemand
außer …« Arcimboldo drehte sich auf dem Malerstuhl zu ihm um. »Niemand!«, beendete er seinen Satz. »Hörst du? Gar niemand – außer ich will es!«
    Jan öffnete den Mund zu der Frage, warum es ihm dann eben gelungen sei. Doch Arcimboldo packte ihn grob an der Schulter und schob ihn vor einen Spiegel. »Zieh dein Hemd aus!«
    Jan genierte sich und zögerte, den Befehl auszuführen.
    »Ich tu dir nichts. Ich will dir nur etwas zeigen.«
    Jan schoss heißes Blut in die Wangen. Er wusste sofort, was Messer Arcimboldo ihm zeigen wollte. Es war sein Makel, sein dunkler Punkt, sein Zeichen, das ihn für ewig entstellen würde: das Muttermal des Hexenbalgs. Für dieses Höllen-Mal hatte man seine Mutter dem Scheiterhaufen überantwortet und verbrannt. Nur durch die Umsicht seiner Amme war er diesem Schicksal entkommen. Doch nach dem frühen Tod der Ziehmutter wurde er ins Waisenhaus gesteckt, wo jenes Mal und die Erinnerung an die Hexenverbrennung zu seinem Problem wurden. Jetzt kam ihm wieder in den Sinn, wie Contrario-Buntfinger seinen Herrn auf diesen Fleck aufmerksam gemacht hatte. Er hatte es sehen wollen. Deshalb hatte er ihn im Waisenhaus seine zerrissene Kleidung aus- und das neue Hemd anziehen lassen.
    Mit einem energischen Ruck drehte er sich herum. Er würde sich nicht vorführen lassen. »Nein!«, sagte er entschlossen.
    Messer Arcimboldo nickte nur, dann ging er zu einem seiner Skizzenblätter, nahm es von der Staffelei, trug es zum Spiegel und hielt es Jan hin. »Schau genau drauf, Junge. Sag mir, was du siehst.«
    Es war die Vorzeichnung für eine Taube. Sie hatte auf der Brust ein weißes Band und unter dem Hals ebenso und wirkte geschnürt wie eine Nonne. Der Blick des linken Auges
war auf den Betrachter gerichtet, der Körper braun, der Hals gänzlich schwarz. Nur Schnabel und Krallen zeigten Besonderheiten. Spitz waren sie, überaus kräftig. Spitzer und kräftiger, als man es hätte erwarten können.
    Stockend begann er, das Tier zu beschreiben, und jedes Mal nickte Arcimboldo. Als Jan nichts mehr zu sagen wusste, hielt er einfach inne.
    »Du bist ein guter Beobachter, Junge. Pass genau auf. Was siehst du jetzt?«
    Messer Arcimboldo blickte ihn mit ernster Miene an, dann drehte er das Blatt um.
    Jans Blick fiel auf das Signum in der unteren rechten Ecke. Als hätte jemand einen Tropfen auf die Rückseite der Leinwand fallen lassen und ihn dann mit einem Tuch abgetupft. Bei genauem Hinsehen konnte man innerhalb des Flecks drei Buchstaben unterscheiden, die sich ineinanderschlangen: ein »G«, ein »A« und ein »C«.
    Jan wusste sofort, es war das Signum seines Meisters: Giuseppe Arcimboldo Conterfeter, also »Maler«. Was ihn jedoch beunruhigte, war nicht die Tatsache, dass sein Herr überhaupt signierte. Selbst die größten Maler und Konterfeier malten ja im Auftrag und nicht für sich und verzichteten daher meist auf ein Signum unter ihren Bildern. Das war bei Messer Arcimboldo sicherlich nicht anders. Was ihn verstörte, war die Form des Zeichens.
    Jan kannte es, kannte es nur zu gut. Das Hexenmal war im Waisenhaus ein scharfer Stachel des Spotts und der Hänseleien gegen ihn gewesen. Immer wieder hatten die anderen ihn deshalb aufgezogen und verhöhnt, bis er sogar erwogen hatte, mit seinem Tod diese Schmach zu löschen. In langen Nächten hatte er darüber nachgedacht, warum man ihn nicht zusammen mit seiner Mutter auf den Scheiterhaufen, sondern unter die Lebenden geworfen hatte. Oft hatte
er seine Ziehmutter verflucht, weil sie ihn vor den Krallen der

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