Haus der roten Dämonen
Inquisition beschützt hatte. Irgendwann war er größer und stärker geworden und die Hänseleien hatten sich gelegt. Dennoch war man ihm mit einem Misstrauen begegnet, das in diesem Fleck auf seinem Rücken gründete.
Ohne auch nur einen Moment zu zögern, streifte er sich jetzt das Hemd über eine Schulter und drehte seinen Rücken dem Spiegel zu, damit er das Muttermal besser sehen konnte. Tatsächlich, dort prangte es auf seinem Rücken in Höhe des rechten Schulterblattes, sodass er es mit der linken Hand berühren und die leichte Erhebung auf der Haut spüren konnte. Es war ein Fleck, in dem man bei genauem Hinsehen drei Buchstaben erkennen konnte, die ineinander gewoben waren. Ein »G«, ein »A« und ein »C«.
»Es ist dasselbe Zeichen!«, flüsterte er. »Woher …? Woher wusstet Ihr von der … Ähnlichkeit?«, stotterte Jan.
Arcimboldo zuckte mit den Schultern. »Ich wusste es, das muss dir genügen.« Dann ging er zurück, legte das Blatt mit der Taube auf eine Ablage, setzte sich auf seinen Malerstuhl und sah wieder hinaus auf die Hügel. »Ich brauche dich, Junge.«
Überrascht trat Jan vor, bemerkte dann jedoch, dass ihm immer noch das Hemd halb von der Schulter hing. Er zog es hoch, stopfte es zurück in die Hose.
»Ich stehe Euch zu Diensten, Herr«, sagte Jan und musste sich räuspern. Die ganze Szene hatte einen eigenartigen Charakter angenommen. Jan wusste nicht, wie er die Bemerkung des Malers deuten sollte. Wozu brauchte er ihn?
Messer Arcimboldo hörte ihn offenbar nicht, denn er zog eine der Leinwände hervor, die Jan noch am Morgen grundiert hatte. Jan erkannte sie sofort an den schwarzen Stellen des Holzrahmens. »Gute Arbeit, mein Junge«, sagte er. »Die Gleichmäßigkeit des Auftrags, die samtene Glätte, das einheitliche
Weiß, du hast ein Geschick in diesen Dingen. Solche Leinwände herzustellen, ist außerordentlich schwer – und dir ist es bereits am ersten Morgen mit drei Leinwänden gelungen.«
Jan schluckte, weil er nicht recht wusste, ob dieses überschwängliche Lob nicht doch unernst gemeint war. Außerdem waren es nicht drei Leinwände gewesen, die er bearbeitet hatte. Es waren vier gewesen. Eine hatte er allerdings verdorben. Er war Contrario dankbar, dass er offenbar die einzige misslungene Arbeit nicht vorgelegt hatte. So viel Rücksicht hatte er dem Adlatus eigentlich nicht zugetraut. Anders konnte er sich das Fehlen des vierten Spannrahmens nicht erklären. Vielleicht tat er diesem undurchsichtigen und unnahbaren Menschen unrecht.
»Messer Arcimboldo, darf ich etwas fragen?«
Der Maler wandte sich zu ihm um. Eine Braue hob sich, was Jan als Erlaubnis las, seine Frage stellen zu dürfen.
Zuerst stolperten ihm die Worte ungelenkt über die Lippen, dann sprudelten die Fragen regelrecht aus seinem Mund wie eine junge Quelle.
»Wie gelangt Ihr ins Haus? Es gibt keinen Schlüssel. Wieso kommt es mir so vor, als ob die Zimmer nicht da wären, wenn die Türen geschlossen sind? Und als ob sie schrumpften, wenn man schläft. Warum gibt es keine Türklinken? Wer ist Euer Adlatus? Warum betätigt er sich auch als Quacksalber? Warum nimmt er manchmal das Blut der Kranken mit? … Was bedeutet das Mal? …«
Arcimboldo hörte sich den Wasserfall von Fragen an und lachte. Sein Gesicht warf Falten, so sehr amüsierte er sich über Jan. »Kein Mensch kann sich all diese Fragen merken, mein Junge«, erklärte er gutmütig. »Auf eine deiner Fragen will ich dir allerdings sofort antworten: Dieses Haus ist tatsächlich etwas Besonderes. Warum sollte denn ein Zimmer
da sein, während du schläfst? Da genügt doch das Bett. Alles andere wäre eine Verschwendung des Raumes.« Dann wurde er ernst. »Dieses Haus lebt, mein Junge. Es mag dich, sonst hätte es dir längst ein Bein gestellt. Behandle es freundlich und es wird freundlich zu dir sein.«
Jan wusste im ersten Moment nicht, was er sagen sollte. Beinahe hätte er selbst losgelacht. Ein lebendes Haus? Messer Arcimboldo wollte ihn sicherlich auf den Arm nehmen. Doch das Gesicht seines Meisters sprach eine andere Sprache. Er meinte es offenbar ernst. Aber lebende Häuser gab es nicht, außer – für einen Moment stockte sein Herzschlag – Messer Arcimboldo war ein Magier. Einer jener Menschen, die über besondere Kräfte verfügten. Doch bislang hatte sich sein Meister nicht anders benommen als andere Menschen. Er war nicht durch die Luft geflogen, hatte sich nicht in Rauch aufgelöst oder war im Boden versunken. Ein
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