Haus der Sonne
die sich um die Hawai'i-Frage gebildet haben. Und jetzt hat sich Telestrian Industries völlig zurückgezogen... aus beiden Fraktionen in dieser Sache. Ich frage mich, ob da ein Zusammenhang besteht.«
»Augenblick mal«, warf ich ein.
Doch Gordon Ho kam mir zuvor. »›Fraktionen‹?« fragte er scharf. »Und was für eine ›Sache‹?«
Barnard lächelte freudlos. »Was glaubst du wohl, um was für eine Sache es geht, Gordon? Natürlich darum, wie man am besten auf die hawai'ianische Provokation reagiert. Schließlich hat es Angriffe auf Konzerneigentum - sowohl personelles als auch materielles - gegeben. Eine Freveltat wie diese kann man nicht durchgehen lassen, das wirst du begreifen. Der Konzern-Gerichtshof ist mehr oder weniger in zwei Lager gespalten, was die Frage angeht, wie man reagieren soll.«
»Was steht zur Auswahl?« fragte der E x-Ali'i.
»Noch mal, was glaubst du wohl? Auf der einen Seite diplomatischer Druck - Sanktionen, Embargos und so weiter. Auf der anderen Seite... direktere ... Aktionen.«
»Militärischer Art?«
»Die Anhänger direkter Aktionen sind sich uneins in diesem Punkt«, stellte Barnard fest. »Manche glauben, dieser Unsinn mit ALOHA dauere schon viel zu lange und man solle ihn ein für allemal beenden. Andere ziehen ›Vollstreckungsmaßnahmen‹ gegen Regierungsmitglieder vor.«
Ich warf einen Blick auf Ho und sah, daß er erbleicht war. Kein Wunder. Ich kannte den Ausdruck ›Voll-streckungsmaßnahmen‹. Er war normalerweise gleichbedeutend mit »Attentate »Und wo stehst du, Jacques?« fragte der junge Ex-König leise. »Wo steht Yamatetsu?«
»In der Mitte, wo sonst?« sagte Barnard achselzuckend. »Wie sich herausgestellt hat, in einer sehr einsamen Mitte. Die ›Abwarten und Teetrinken‹-Haltung ist am Gerichtshof im Augenblick nicht sonderlich populär.«
»Was ist mit Donald?« fragte Ho abrupt.
»Dein Großonkel findet das alles ganz besonders unerquicklich«, antwortete Barnard. »Im Zürich-Orbital hat er kaum die Möglichkeit, den Kontakt mit den anderen zu vermeiden.«
Ich blinzelte. Also hatte Gordon einen Verwandten im Zürich-Orbital. Ich speicherte dieses kleine Juwel für eine zukünftige nähere Betrachtung ab ... vorausgesetzt, es gab eine Zukunft.
»Zu welcher Seite neigt der Gerichtshof?« fragte Ho.
Barnards Lächeln verblaßte. »Die Befürworter direkter Aktionen scheinen auf dem Vormarsch zu sein«, sagte er leise. »Man wird eine... eine Botschaft senden. Eine Demonstration.« Barnard sah auf die Uhr. »Um Mitternacht lokaler Honolulu-Zeit. Wenn die Regierung dadurch nicht zur Räson gebracht werden kann...« Er zuckte vielsagend die Achseln.
»Eine Demonstration«, wiederholte ich. Das Wort hatte einen beängstigenden Beiklang, einen bitteren Beigeschmack. »Was für eine Demonstration, Barnard?«
»Thorhämmer«, sagte er leise.
22
Wir standen Schulter an Schulter, der E x-Ali'i und ich, die Nase nur Millimeter von der Scheibe des Fensters von Zimmer 1905 entfernt. Die respektablen Medien hatten kein Wort von der geplanten Demonstration des Konzern-Gerichtshofs verlauten lassen, aber die Nachricht hatte sich mit Sicherheit trotzdem wie ein Lauffeuer verbreitet. Zum Teil lag das an der Tatsache, daß eine Nachrichtensperre einfach unmöglich ist, wenn Parteien, die ein begründetes Interesse daran haben, eine Nachricht zu verbreiten - in diesem Fall die Konzerne -, ihre Botschaft direkt aus der Erdumlaufbahn senden können. Auf der Oberfläche stationierte Piratensender hatten gleichfalls ihren Teil dazu beigetragen und hämisch über die Versuche der hawai'ianischen Regierung berichtet, die Medien mundtot zu machen. Damals im Dunklen Zeitalter - in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zum Beispiel -wäre es vielleicht möglich gewesen, den Geist in der Flasche zu lassen. Heutzutage? Keine Chance, Hoa, wie die Regierung sehr rasch feststellte.
Aus einigen Berichten, die dem Ali'i durch einige wenige Vertraute, die sich noch auf der Straße befanden, zugespielt worden waren, wußte ich, daß die Nachricht verbreitet worden war. Aber auch ohne diese Quelle hätte ich vermutet, daß die Leute Bescheid wußten. Normalerweise bestand die Kalakaua Avenue, von der ich ein Stück von meinem Fenster aus sehen konnte, bis zwei oder drei Uhr früh aus zwei Reihen sich langsam bewegender Scheinwerfer und Rückleuchten. Heute, ein paar Minuten vor Mitternacht, lag Waikikis Hauptstraße so gut wie verlassen da. Ich fragte
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