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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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Visite die Fragen stellte. Professor Breitmeier räusperte sich und trommelte mit den Fingern auf das Metallgestänge des Bettes, schwieg aber.
    Der Patient bewegte sich und stöhnte.
    »Bleiben Sie ganz ruhig liegen, Herr Seymour«, sagte Doktor Kümmell und tastete mit seinen schlanken Händen behutsam den Bauch des Mannes ab.
    »Bin ich im Himmel?« Schwach und heiser erklang die Stimme des Patienten.
    »Nein, ich muss Sie enttäuschen, auch wenn gerade ein Engel neben Ihrem Bett steht, Herr Seymour.« Doktor Kümmell erntete leises Lachen von den Kollegen und Schwestern. »Aber dieses schöne Wesen ist keines der himmlischen Schar, sondern unsere Victoria.«
    So, wie er
unsere
sagte und sie dabei anlächelte, konnte sie nicht verhindern, dass ihr erneut das Blut in die Wangen schoss. Sie musste sich zwingen, daran zu denken, dass Doktor Kümmell verheiratet war und dass sie um die Aufnahme in den Orden gebeten hatte. Durfte sie den Arzt trotzdem bewundern und verehren? Oder war das bereits eine Sünde?
    »Victoria …« Der Patient drehte seinen Kopf, sah sie aus haselnussbraunen Augen an, und ein Leuchten erhellte sein bleiches, eingefallenes Gesicht. »Herr Doktor, Sie irren sich«, sagte er plötzlich mit überraschend fester und lauter Stimme. »Das ist nicht
Ihre
Victoria, sondern das Mädchen, das ich heiraten werde. Ich habe sie sogar schon geküsst.«
    Victoria erstarrte. Sie erkannte in dem Patienten den unverschämten jungen Mann, der sie vor einiger Zeit auf der Straße angerempelt hatte und den sie nie wiederzusehen gehofft hatte. Wie kam er hierher?
    »Dann gratuliere ich Ihnen von ganzem Herzen zur Verlobung«, sagte Doktor Kümmell leichthin. »Und Ihnen natürlich auch, Victoria.«
    Alle lachten, sogar Professor Breitmeier. Alle außer Schwester Alberta und Mutter Oberin. Vor Scham wäre Victoria am liebsten im Erdboden versunken.
    In bester Stimmung verließen die Ärzte und Schwestern das kleine Zimmer. Vor der Tür gaben Doktor Kümmell und der Professor noch ihre Anweisungen.
    Schwester Alberta notierte alles, und zum ersten Mal sah Victoria etwas auf ihrem Gesicht, das einem Lächeln glich. »Ich hoffe, Sie haben aufmerksam zugehört. Sie werden die Pflege des Patienten – Verzeihung, ich meine natürlich Ihres
Verlobten
 – übernehmen.« Ein spöttischer Blick traf sie, dann eilte Schwester Alberta den Ärzten hinterher. Der Triumph schien ihre Schritte zu beflügeln.
    »Kommen Sie nach der Visite zu mir«, sagte Schwester Innozentia zu ihr, bevor sie ebenfalls den anderen folgte.
    Victoria blieb zurück. Sie war verzweifelt, sprachlos, wütend. Was fiel diesem Kerl, diesem Seymour ein, so einfach in ihr Leben hineinzuplatzen und mit ein paar Worten alles zu zerstören? Die Schmach, sie mitten auf der Straße geküsst zu haben, reichte ihm offenbar nicht. Nein, jetzt musste er sie vor den Ärzten und Schwestern demütigen. Sie fragte sich, ob sie Mutter Oberins Zweifel an ihrer Tugendhaftigkeit in dem kommenden Gespräch ausräumen konnte. Aber wenn sie an das strenge, verschlossene Gesicht der Nonne dachte, machte sie sich keine große Hoffnung. Nach dieser Äußerung würde sich Schwester Innozentia gewiss nicht mehr überreden lassen, sie in den Orden aufzunehmen. Vielleicht durfte sie nicht einmal mehr in der Krankenpflege helfen. Und das alles nur wegen dieses vermaledeiten John Seymour! Warum mussten ihn die Ärzte auch ausgerechnet an das Marienkrankenhaus überweisen? Doktor Kümmell hatte im Lauf der vergangenen Monate genug Vorträge gehalten und Demonstrationen an Leichen vor anderen Kollegen vorgeführt. Hätten die im Hafenkrankenhaus die Operation nicht selbst versuchen können? Und wenn er dann gestorben wäre?
Na und!,
dachte sie voller Trotz und Wut. Doch sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Das ging natürlich nicht. Sterben sollte niemand, schon gar nicht ihretwegen. Solche Überlegungen waren Sünde, das wusste sie aus dem Katechismus, den Mutter Oberin ihr zum Studium überlassen hatte.
»Ich habe gesündigt, in Gedanken, Worten und Werken«
stand dort. Wäre sie bereits zum katholischen Glauben konvertiert, würde sie das beichten müssen. Erst recht als Ordensschwester. Aber warum musste dieser John Seymour ausgerechnet jetzt hier im Krankenhaus auftauchen, wo Mutter Oberin sie noch prüfen wollte? Wieder einmal drohten ihre Pläne sich zu zerschlagen. Allmählich sollte sie darin Übung haben. Sie trat an das Fenster im Krankenhausflur und sah in den

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