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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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Metallschrank befanden. Der Beamte forderte mich zum Hinsetzen auf. Auf dem Tisch lag kariertes Dinavierpapier und ein Kugelschreiber. An der Wand hing ein schwarzer Telefonapparat. Der Beamte holte aus dem Schrank meinen alten Personalausweis von 1981 hervor, legte mir den hin und sagte: Hier ist Ihr Personalausweis. Den deutschen Pass muss ich leider an die deutsche Botschaft zurückschicken. Sie haben die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, ohne das mit uns abgesprochen zu haben. Sie sind immer noch polnische Bürgerin. Wenn Sie in Polen sind, gilt für Sie das polnische Recht. Wir können leider Ihr Visum nicht verlängern, weil wir Ihren deutschen Pass nicht akzeptieren. Mich interessiert aber viel mehr, was Sie diese vier Jahre im Ausland so gemacht haben. Lassen Sie sich Zeit. Sie können das alles auf dieses Papier schreiben. Ich komme in einer Stunde wieder. Falls Sie mehr Papier brauchen, wählen Sie mit diesem Apparat die Sieben.

V
    Es war der 22 . Dezember. Ich flog nach Danzig. Ich kam nachmittags am Flughafen an. Ich ging zu einer Telefonzelle. Ich rief Anton an. Im Land waren die Leitungen nicht dauernd besetzt. Anton nahm ab. Er klang fremd, unangenehm. Ich sagte, dass ich meine Sachen von damals abholen wolle. Was davon übrig war. Ich stellte mich in der Schlange fürs Taxi an. Etwa hundert Bürger warteten vor mir. Die schneematschigen Taxen fuhren ab und kamen an. Gut, dass ich im Flugzeug drei Blutige Marien getrunken hatte. Ich dachte an Andrzej. Wie schade, dass ich ihn nie wieder getroffen hatte. Ich schaute mich um. Wer weiß, vielleicht wollte er wie ich Weihnachten in der Heimat verbringen. Ich dachte an die Nacht mit den zwei Lovern. Ich hatte keinen von ihnen jemals wiedergesehen. Ich dachte an Anton. Ich wusste nicht, ob er inzwischen mit Asia zusammengezogen war. Anton war jedenfalls nicht aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Ich stellte mir vor, Asia würde dort in meinen Klamotten rumlaufen. Ich dachte an Arek, der jetzt nicht mehr mit Asia zusammen war. Was der wohl machte? Ich dachte an James, mit dem ich im Moment nichts zu tun haben wollte. Ich dachte an Artur, dem ich vorgespielt hatte, dass ich noch eine Jungfrau wäre. Als wir das erste Mal miteinander schliefen, hatte ich aber nur meine Tage. Artur war sehr stolz auf sich, mir die Unschuld genommen zu haben. Er erzählte das überall rum. Dadurch hielt mich jeder für seine Freundin, obwohl wir überhaupt nichts gemeinsam unternahmen.
    Mein echtes und kein durch Menstruationsblut vorgetäuschtes erstes Mal hatte ich in Wirklichkeit nicht mit Artur, sondern mit Adam erlebt. Das war direkt nach der Affäre mit dem Zwitter. Adam war dreizehn, ich zwölf. Er hatte eine Cat-Stevens-Frisur, ich eine Vokuhila, auch Affenhaarschnitt genannt. Er trug eine Jeans von Wrangler, ich eine selbst gehäkelte Mütze, wie ich sie in dem Film ›Love Story‹ gesehen hatte. Ich fand, dass wir sehr gut zueinanderpassten, aber ich war nicht verliebt in Adam. Er war mir zu klein. Deswegen hatte ich ihn mir aber auch ausgesucht. Damit es nicht wehtat. Ich war irgendwie vorzeitig frühreif. Ich hatte schon mit vier mein erstes Schamhaar. Ich wollte endlich das erste Mal hinter mich bringen. Der kleine Adam saß jeden Nachmittag auf der Treppe in unserem Hof und spielte Gitarre. Ich ging zu ihm hin und fragte: Kommst du mit aufs Dach? Er schaute zu mir auf. Ich habe einen Schlüssel , sagte ich, um das weitere Vorgehen zu illustrieren. Adam stand auf und versteckte seine Gitarre unter der Treppe. Ich ging voran, er trippelte hinter mir her. Wir wohnten nicht mehr bei Kalwasowa. Mein Vater war vom gewöhnlichen Elektriker zum Hausmeister eines Hochhauses aufgestiegen, inklusive Zwei-Zimmer-Dienstwohnung. Ich hatte von da an ein eigenes Zimmer, das ich mir aber mit meiner Schwester teilen musste. Unseren nachgekommenen Bruder brachten meine Eltern bei sich im Wohnzimmer unter.
    Den Dachschlüssel hatte ich meinem Vater aus seinem Hausmeisterkasten geangelt. Adam und ich fuhren mit dem Fahrstuhl in den zehnten Stock. Wir kletterten noch ein halbes Stockwerk die Metalltreppe hoch, die zum Dach führte. Ich schloss die Dachtür auf. Wir gingen raus. Die Sonne schien. Wir waren erregt. Wir hatten schon vorhin im Fahrstuhl Händchen gehalten. Hier auf dem Dach legten wir dann sofort los. Wir knutschten. Wir fummelten. Wir hatten es eilig. Wir wussten, dass jederzeit irgendjemand kommen konnte. Die Dachtür ließ sich von außen nicht

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