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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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Hamburg, zum Licht. Herrn Schneider musste ich natürlich was Plausibleres erzählen. Das mit dem Licht hätte er nicht verstanden. Ich betonte jedes Mal, dass ich mitten in meinem Studium steckte. Ich legte Herrn Schneider die Kopie eines Schreibens des HaEfBeKa-Präsidenten Vogel vor, von dem ich wusste, dass es auch direkt an die deutsche Botschaft in Warschau gefaxt worden war. In dem Schreiben bezeichnete Vogel mein Fehlen am Lerchenfeld als eine große Katastrophe und wies nachdrücklich darauf hin, dass mehrere studentische Projekte zum Scheitern verurteilt wären, wenn ich nicht mit körperlicher Präsenz dienen könnte.
    Das Fax zur Bescheinigung meiner Wichtigkeit hatte James über Michael, den Sohn von Professor Katze, arrangiert. Eigentlich hätte es sich angeboten, dass James so ein Fax von seinem Professor, von Immendorff, besorgte, aber der wurde ja niemals gesichtet und hatte angeblich Bedeutenderes zu tun. Michael war ein Kommilitone von James. Auch er studierte am Lerchenfeld, bei seinem ebenfalls nie anwesenden Vater Hellmuth. Außerdem zeigte ich Herrn Schneider ein Fax von einer Kunstgalerie, die mich anmahnte, weil ich meine großformatigen Bilder nicht abgeholt hatte. Ebenso zeigte ich ihm eine Einladung zur Teilnahme an einem Workshop, eine Anfrage für die Gestaltung einer Wandmalerei, eine Benachrichtigung, dass ein Projekt von mir gute Aussichten auf Realisierung hatte, eine Zusage, dass ich in eine Künstlergruppe aufgenommen worden war. Bis auf die Faxe von Vogel und von der Kunstgalerie hatte ich alle anderen Unterlagen gefälscht, um auf Herrn Schneider einen besonders vorteilhaften Eindruck zu machen. Er sollte denken, dass ich in der deutschen Kunstszene unentbehrlich war. In Wirklichkeit kam ich im Kunstbetrieb gar nicht vor. Der Künstlername Lola Love hatte mir bisher keine Türen geöffnet. Das lag vermutlich daran, dass ich keine Arschkriecherin war. Ich hasste das Galeristen-Gelaber und sprach das laut aus. Deswegen wollten die Galeristen nichts mit mir zu tun haben. Meine Kunstkarriere ging nicht los. Außerdem hasste ich die Rezeptionsgeschichte meiner Bilder. Was da alles reininterpretiert wurde. Mannomann. Ich sei dem grauen Kommunismus entkommen, um die westeuropäischen Farbpaletten auszuprobieren. Peinlich, oder? Weil es nicht stimmte. Ich hatte mich auch schon in Polen für knallige Farben interessiert, weil ich lichtsüchtig war. Dafür hatte ich sogar ein Attest. Meine Sehstärke lag bei einhundertsiebzig Prozent. Das matschige Braun aus allen Farben war mein Feind. Ich war kein armes Ossi-Mädchen. Mich nervten diese dummen Klischees. Zufällig war ich in einem System aufgewachsen, wo alle die gleichen Chancen hatten. Ich fand es auch ziemlich geschmacklos, dass Immendorff als Trittbrettfahrer von A. R. Penck mit dessen Ost-Image berühmt wurde. Weil es ihm nicht zustand. Seine Bilder waren schlecht komponierte, auf riesige Leinwände vergrößerte Illustrationen ohne farbliches Konzept. Sein ›Café Deutschland‹-Zyklus war nur ein billiger Trick, um in aller Munde zu sein. Und diesen Trick hatte ein Redakteur der ›Bildzeitung‹ für ihn ausgeheckt. Ich wollte, dass meine Bilder objektiv, ohne politischen Zusammenhang gesehen wurden. Ich war für die objektiv funktionierende Kunst. Ich hatte keinen Bock auf die Erwähnung meiner polnischen Herkunft, wenn es um meine Kunst ging. Kunst war für mich Wissenschaft und keine Folklore, unter deren Oberfläche hanebüchene Attitüden steckten.
    Auch Piotr Sobieralski war genervt davon, dass ständig seine Nationalität zum Thema gemacht wurde. Er hatte wie ich das Kunstgymnasium in Gdynia absolviert und anschließend am Lerchenfeld studiert. Wegen ihm hatte ich mich überhaupt für die Hamburger Kunsthochschule entschieden. Wegen der Polenwitze ließ er seinen Nachnamen weg und nutzte stattdessen seinen zweiten Vornamen Nathan. Mit der Anspielung auf Nathan den Weisen wollte er zum Ausdruck bringen, dass er sich mit Kunst und nicht mit Autos beschäftigte. Natürlich war es nicht lustig, dass die Polen deutsche Autos klauten. Jeder Deutsche hatte eins oder zwei. Deutsche Autos waren begehrenswert, picobello geputzt und im Topzustand. Vielleicht deswegen hatte ich meine mit den Commerzbank-Schecks finanzierte Bilderserie ›Die Diebe von Bagdad‹ genannt. Der Titel sollte eindeutig von meiner Heimat ablenken. Zumal sich Polen kaum noch in den Nachrichten meldete. Ich hatte ›Die Diebe von Bagdad‹ bei der

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