Hausverbot
Jahresausstellung am Lerchenfeld ausgestellt. Der Präsident Vogel erwähnte mich lobend in seiner Eröffnungsrede. Daraufhin kontaktierte mich diese Kunstgalerie, die jetzt meine Bilder loswerden wollte. Durch die Galerie lernte ich einige Persönchen kennen, mit deren Allüren ich überhaupt nicht klarkam. Man erwartete von mir, dass ich die Motive nach ihrem Gusto malte. Angeblich ließen sie sich dann besser verkaufen. Ich machte da vorerst mit. Um Materialkosten zu sparen, übermalte ich meine alten Hafenbilder zu fünf Nilpferden und fünf Ameisen. Bloß verkauft wurde keins der Viecher. Mein Konto bei der Commerzbank war wegen Überziehung nach wie vor gesperrt. Deswegen überwies der AS tA das Geld für mich an die deutsche Botschaft und nicht auf mein eigenes Konto. Das Geld vom AS tA kam vom Präsidenten Vogel, der es aus irgendeinem Hochschultopf genommen hatte. Diese schäbigen fünfhundert Mark hatten mein Schicksal also wieder in die Laufrichtung gebogen, die ich selber und nicht der Staat bestimmte.
Mein Kopf brummte. Vor der Botschaft war ein Taxistand, an dem ungefähr fünfzig Bürger eine Schlange bildeten. Kein Taxi war in Sicht. Die Menschen warteten. Das alles gehörte hier zum Alltag. Das alles war hier normal. Man war hier geduldig. Man fand sich hier mit allem ab. Wie sehr ich auch das polnische Essen, die polnische Sprache und den Anton liebte, so sehr hasste ich das hiesige System. Der Kommunismus steckte in der Agonie, und jeder, der bei ihm mitmachte, belebte ihn wieder. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte jeder dieses Land verlassen sollen. Die Leute hatten hier nicht mal eine eigene Bude. Sie lebten bei ihren Eltern, bis sie vierzig wurden, weil sie zwanzig Jahre auf eine Genossenschaftswohnung warteten. Manche gewieften Eltern bauten an einem eigenen Haus. Meist wurden sie damit fertig, wenn ihre Kinder groß waren. Diese zogen erst aus, wenn sie eine eigene Etage auf das elterliche Haus draufgebaut hatten. Meine letzten drei Monate hier waren der reinste Horror gewesen. Dass mir die polnischen Behörden den deutschen Pass weggenommen hatten, empfand ich so, als versuchte man, mich zu ersticken. Der deutsche Pass war meine Eintrittskarte in die Welt. Ich hätte auch meinen polnischen Pass benutzen können, um hierherzukommen. Ich hatte ja in Deutschland studiert. Die polnische Botschaft in Bonn hätte mir den abgelaufenen Pass für die Einreise nach Polen bestimmt verlängert. Bloß zurück nach Hamburg hätte ich damit nicht mehr gekonnt. Weil ich dann wieder das Visum von Deutschland gebraucht hätte. Die Doppelstaatlichkeit war eine komplexe Angelegenheit. Jedenfalls war ich die vier Jahre froh gewesen, einen deutschen Pass besessen zu haben. Ich hatte in Hamburg ein paar Freunde, die dort mit polnischen Pässen lebten. Sie mussten alle paar Monate zum Ausländeramt, um das Visum zu verlängern. Sie wurden dort wie Dreck behandelt. Ich kannte auch eine Koreanerin, einen Ukrainer und einen Amerikaner, die ebenfalls auf dem Ausländeramt wie Dreck behandelt wurden. Einmal passierte es, dass der Amerikaner beim Verlängern des Visums auf dem Ausländeramt von der Polizei eingesackt und gegen seinen Willen zum Flughafen gebracht, in ein Flugzeug gesteckt und auf seine eigenen Kosten zurück nach New York geschickt wurde. Er durfte erst wieder nach Deutschland einreisen, nachdem er ferngeheiratet hatte. Dabei hatte er schon seit Jahren in Hamburg in einer eheähnlichen Beziehung gelebt. Die Regelung für Amerikaner war diese, dass sie alle drei Monate die deutsche Grenze passieren mussten. Der Ami hatte einmal versäumt, Deutschland für ein paar Tage zu verlassen, weil er gerade kein Geld für eine Reise hatte. Das wollte er auf dem Ausländeramt erklären. Daraufhin verriegelte seine Sachbearbeiterin per Knopfdruck hinter ihm die Tür, rief die Bullen an, und er wurde augenblicklich abgeschoben. Naiver Ami , dachte ich damals, hätte er sich bloß an das Gesetz gehalten . Und zack war mir in Polen das Gleiche passiert, wenn auch andersrum. Weil auch ich nie im Leben für möglich gehalten hätte, dass das polnische Ausländeramt wagen würde, mir den deutschen Pass wegzunehmen. Ich fühlte mich damit sehr sicher. Ich wollte nur das Visum verlängern. Ich hatte dafür auch Gründe. Aber nix da. Ein Beamter auf dem Danziger Ausländeramt bat mich in sein Büro. Es war ein beigegrau gestrichener Raum mit vergittertem Fenster, in dem sich ein grauer Tisch, ein grauer Stuhl, ein grauer
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