Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
Vom Netzwerk:
experimentellem Styling aus abgedrehten Designerbrillen, Markenfußballschuhen und absurdem Tand. Lebt wohl, teure Notenbücher und Kunstalben aus Antiquariaten. Tschüss, Stifte, Pinsel und Farben von herausragender Qualität. Adieu, Delikatessen aus dem Alsterhaus. Ich begann, James kritisch zu betrachten. Der Typ war vierzehn Jahre älter als ich. Ich fragte mich, was er eigentlich am Lerchenfeld machte. Mit meiner Kunst lief alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich studierte faktisch nicht mehr, war aber noch keine gemachte Künstlerin. Auf keinen Fall konnte ich von der Kunst leben. Das konnte sowieso kaum jemand. Finanziell war ich total am Boden. Die Bafög-Zeit war gerade zu Ende. Willkommen im Kapitalismus. Meine Wurzeln machten sich bemerkbar. Ich war im Wandel. Ich wusste nicht mehr weiter. Nach Polen aufzubrechen war für mich in dem Moment tatsächlich das Beste. Politische Aussichtslosigkeit, Landesflucht, Doppelstaatlichkeit hin oder her, es blieb mir nichts anderes übrig.
    Ich hob die fünfhundert Mark vom Lerchenfeld an der Kasse ab. Ich verließ das Botschaftsgebäude. Das Leben lag vor mir. Ich dachte schnell. Ich konnte es kaum fassen. Auf einmal sollte es gehen. Auf einmal. Als wäre nichts passiert. Der Groschen fiel. Logisch. Der AS tA überwies für mich Geld. Von da an existierte ich wieder. Bis dahin hatte die deutsche Botschaft nur so getan, als hinge meine Rückkehr nach Hamburg von den polnischen Behörden ab. In Wahrheit zweifelten die Deutschen meine Seriosität an. Herr Schneider deutete oft genug an, dass er meiner Geschichte keinen großen Glauben schenkte. Er erzählte mir von Fällen, in denen sich die Doppelstaatler als Agenten, Doppelagenten oder gewöhnliche Kriminelle entpuppt hatten. Seiner Meinung nach hatte ich als deutsch-polnische Staatsbürgerin zu wissen, dass die Doppelstaatlichkeit von den polnischen Behörden nicht geduldet wurde. Er unterstellte mir gewissermaßen, dass ich versucht hätte, das polnische Visum absichtlich zu verlängern, weil ich aus irgendwelchen Gründen aus Deutschland hatte flüchten müssen. Nach Polen konnte ich aber nun mal nicht mehr flüchten, da ich von da bereits geflüchtet war. Dennoch hielt ich mich dort auf, quasi wider Willen. Dadurch konnten wiederum die deutschen Behörden keinerlei rechtliche Konsequenzen gegen mich anwenden. Übersetzt hieß das nun, dass mich Herr Schneider für eine Fluchttrickserin hielt. Erst als die Kohle vom Lerchenfeld kam, wurde ich als diejenige anerkannt, für die ich mich die ganze Zeit ausgegeben hatte: eine Freie-Kunst-Studentin an der Hamburger HaEfBeKa. Seit drei Monaten war ich immer wieder in die deutsche Botschaft gekommen und hatte auf meiner Rückreise bestanden. In meiner Handtasche hatte ich immer eine Ersatzunterhose dabei, Zahnpasta und Zahnbürste nicht zu vergessen, weil ich jedes Mal bereit war, die Botschaft zu besetzen. Herr Schneider schaffte es aber immer, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Er behauptete, dass dies gegenüber den polnischen Behörden ein politischer Fauxpas wäre. Das klang überzeugend. Ich wollte es mir mit den polnischen Behörden nicht verscherzen. Ich dachte eben die ganze Zeit, dass die Polen und nicht die Deutschen darüber zu entscheiden hatten, ob ich nach Hamburg zurückkehren durfte oder nicht. Ich war jedes Mal derartig deprimiert, wenn ich die deutsche Botschaft ohne Erfolg verlassen musste. Die polnische Trostlosigkeit da draußen tat mir weh. Diese Realität war zu grau, zu aussichtslos. Nichts leuchtete. Zukunft gab es keine. Weder bei meiner Landesflucht 1981 noch vier Jahre später glaubte ich eine Sekunde daran, dass sich in Polen was verändern würde. Nichts deutete darauf hin, und jeden Tag wurde das alltägliche Leben noch schwerer. Für mich war das alles viel schlimmer. Ich lebte ja seit vier Jahren nicht mehr in dem kommunistischen Menschenzoo. Wenn man einmal die Freiheit kennengelernt hat, leidet man umso mehr, wenn man zurück in den Käfig muss. In meinem westeuropäischen Dasein durfte ich über mich selbst bestimmen, und das war normal und kein Luxus. Diese Normalität beruhigte mich, nachdem meine ganze Kindheit und Jugend aus Chaos bestanden hatte. Ich wollte zurück nach Hamburg, wo nachts intakte Laternen die Straßen erhellten und von Dieben verschont gebliebene Glühbirnen die Hauseingänge in warmes Licht tauchten. Licht machte mich glücklich. In der Dunkelheit bekam ich Depressionen. Ich wollte zurück nach

Weitere Kostenlose Bücher