Hausverbot
zu lassen. Ich nahm zum Beispiel schon seit Jahren meine Telefongespräche mit Freunden auf. Ich wollte sie in der Zukunft mal für ein Buch abtippen. Ich wusste, dass Andy Warhol bei seiner ›Philosophie von A bis B und zurück‹ genauso vorgegangen war. Darin unterhielt er sich mit Bob Colacello und Brigid Berlin. In meinem Telefonbuch sollten aber mehr als nur drei Gesprächspartner zu Wort kommen, auch die, die auf meinen Anrufbeantworter drauf sprachen, und vor allem meine eigenen ellenlangen Monologe, die ich den Leuten auf die AB es draufquatschte. Besonders manisch sprach ich immer wieder auf den Anrufbeantworter von Adrian. Ich konnte den Jungen nie erreichen, und das machte mich schier wahnsinnig. Wir gingen schon seit vier Jahren miteinander ins Bett, und er lief immer nur vor mir weg. Dabei hatten wir uns so viel zu sagen, geistig und vor allem körperlich. Dennoch wollte sich unser Verhältnis nicht nach meinem Gusto entwickeln. Dass Adrian nun die Rolle des Untermieters angenommen hatte, sprach wiederum dafür, dass er sich mir endlich von einer anderen Seite zeigen wollte.
- Guten Tag, ich bin der Untermieter Adrian Graf.
- Herr Graf, wo wohnen Sie?
- Ich wohne hier.
- Haben Sie eine Meldebestätigung?
- Ja, bitte schön.
- Haben Sie einen Personalausweis?
- Ja, bitte schön.
- Haben Sie eine Geburtsurkunde?
- Ja, bitte schön.
- Haben Sie einen Mietvertrag?
- Ja, bitte schön.
Der Polizist funkte die Personalien in die Wache. Die Wache bestätigte alle Angaben als korrekt. Jonny Krautwurst sprach halb zum Diktafon, halb zu den Männern: Feierabend, Herrschaften. Die Räumung wird bis zur Klärung verschoben. Überstunden werden nicht entstehen. Ich hörte, wie Adrian noch sagte: Wenn Sie keine Fragen mehr haben, möchte ich mich jetzt zurückziehen. Auf Wiedersehen. Er schloss die Eingangstür von innen. Uff. Ich stand mit Gina am Küchenfenster im ersten Stock. Wir hielten uns fest an den Händen. Ich beobachtete, wie sich das Räumungskommando in unserem Hof langsam in Richtung Ausgangstor bewegte. Die Männer redeten miteinander. Ich hätte gerne gewusst, was sie genau sagten. Die Männer verschwanden um die Ecke. Ich merkte, dass ich jetzt auch ganz schnell rausgehen musste. Ich hatte keine Lust, mit James und Adrian das Ganze noch mal durchzukauen. Die Aktion verlief ohne Pannen, aber sie war sehr unangenehm. Komischerweise bekam James Oberwasser. Ich hörte, wie er anfing, vor Adrian anzugeben. Er hätte unser Atelier gefunden, und überhaupt, dass ich so erfolgreich sei, hätte ich ihm zu verdanken. Ich konnte das alles nicht ertragen. Wir steckten ganz schön in der Patsche, er ließ sich von mir seit fast zwölf Jahren finanziell aushalten und redete davon, wie geil er sei. Ich fragte Gina, ob sie Lust hätte, in den Zoo zu gehen. Ich wusste, dass sie es wollte. Gina liebte den Zoo. Ich auch. Schon als Kind ging ich gerne dorthin, besonders wenn ich Probleme mit Menschen hatte. Ich besuchte den Danziger Zoo sehr oft. Er kostete für Kinder auch keinen Eintritt. Am besten fand ich dort die Affen, am gruseligsten die Wölfe. Sie hockten in einem kleinen Käfig und fletschten sich gegenseitig an. Auf dem Boden lagen rohe, blutige Fleischstücke herum.
Adrian kam auch mit in den Zoo. Wir spazierten langsam von Gehege zu Gehege, und ich beruhigte mich nach und nach. Ich musste eine Entscheidung treffen. So ging das nicht mehr weiter. Jonny Krautwurst hatte Adrians Personalien aufgenommen. Der Stadtteilbulle hatte sie per Funk überprüfen lassen. In den nächsten Tagen würde Adrian eine Räumungsklage per Post bekommen. Er wollte dagegen keinen Widerspruch einlegen. Das hieß, dass in den kommenden drei Wochen unser Zeug aus dem Atelier weggeschafft werden musste. Ich beschloss, mit Gina nach Polen in die Berge zu fahren. In der Zeit sollte James die Sachen aus dem Atelier in unser Lager transportieren, das sich in einem Kuhstall auf einem Bauernhof zwischen Hamburg und Berlin befand. Wegen der Räumungsklage war sowieso schon alles gepackt. Ich brachte Gina nach dem Zoo erst mal zu James, sozusagen nach Hause. Ich ging mit Adrian zu ihm, um ein paar Schallplatten für meine monatliche Sendung ›Radio Las Vegas‹ zu holen. Sie begann um elf Uhr abends und lief die ganze Nacht. Normalerweise machte ich sie mit Gustav, mit dem ich auch in Musikclubs live auftrat. Ich hatte mich aber gerade mit Gustav wegen Adrian zerstritten. Gustav war ständig eifersüchtig auf Adrian. Das nervte
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