Hautnah
nicht mit den Augen.
Bella und Sean tranken einen Schluck aus ihren Gläsern. Der Ventilator, der sich über ihren Köpfen drehte, und das dumpfe Rumoren von oben waren die einzigen Geräusche im Raum.
»So«, sagte Stephen irgendwann. »Und jetzt erzählt mir mal, wie und warum ihr hergekommen seid.«
»Ich würde lieber allein mit dir reden«, bat Bella. »Nicht wenn J. A. C. K. dabei ist.«
Jack, der genau wusste, wie man seinen Namen buchstabierte, blickte grinsend auf.
»Sicher«, sagte Stephen. »Wir können in mein Arbeitszimmer gehen. Sean, macht es dir was aus, solange hierzubleiben? Dort im Regal sind jede Menge DVD s. Warum machst du den kleinen Jack nicht ein bisschen mit meinem Œuvre vertraut? Die Hintertür ist offen, falls er Schlangen suchen gehen möchte, aber pass auf, dass er dem Köter nicht zu nahe kommt, in Ordnung?«
Bella machte sich Sorgen wegen der unverschlossenen Tür, aber Sean brachte es fertig, eine vollkommen neutrale Miene aufzusetzen, als er sich erhob und mit Jack durchs Zimmer ging, um sich von den vielen hundert DVD s, die in dem vom Boden bis zur Decke reichenden Regal standen, eine auszusuchen. Vielleicht hatte er das Gefühl, dass er, solange Stephen dabei war, von Olly nichts befürchten musste.
»Also?«, sagte Stephen, als er sich in seinem Bürostuhl niederließ und sich zu dem eiförmigen Sessel herumdrehte, in dem Bella auf sein Geheiß hin Platz genommen hatte. Das dumpfe Geräusch war hier viel deutlicher zu hören. Es schien direkt von über ihnen zu kommen.
Bella berichtete ihm von den Fotos. Als sie fertig war – die Sache mit Stephens Hand auf der Brust ihrer Mutter ließ sie aus, das brachte sie einfach nicht über die Lippen –, stützte er die Ellbogen auf die Knie und legte die Hände zusammen.
»Du weißt, was das bedeutet?«, fragte er.
»Es bedeutet, dass du und Mum eine Affäre habt«, erwiderte Bella.
»Affäre? So würde ich es nicht nennen. ›Affäre‹ suggeriert doch etwas Heimliches, das nebenherläuft, findest du nicht?«
»Wie meinst du das?«
Stephen hielt eine Hand hoch, um sie am Weitersprechen zu hindern.
»Der springende Punkt ist doch der, Bella: Wer, glaubst du denn, hat diese Bilder gemacht?«
»Ja, wir –«
»Ist es dir vielleicht in den Sinn gekommen, dich zu fragen, wieso ich mit einem Gewehr an die Tür gekommen bin? Ja? Nun«, fuhr er fort und zeigte auf das Grün des Waldes, das durch die Maschen des Fliegengitters verschwommen auszumachen war, »da draußen läuft eine Geisteskranke herum, die wild entschlossen ist, Lara etwas anzutun, weil sie glaubt, dass ich zu ihr gehöre und nicht zu deiner Mutter.«
»Ich will das alles gar nicht hören.« Bella kauerte sich zusammen und presste die Hände auf die Ohren.
»Nicht? Warum bist du dann gekommen?«
»Weil ich mit Mum sprechen will.«
»Oh, das sollst du auch, Bella.« Stephen beugte sich vor, legte ihr die Hände auf die Knie und suchte ihren Blick, so dass sie gezwungen war, ihn zu erwidern. »Meine Bella.«
»Was?« Sie wollte sich von ihm losmachen, aber er hielt ihre Beine fest.
»Du bist deiner Mutter so ähnlich, weißt du das? Als ich mich damals in sie verliebt habe, war sie nur drei Jahre älter, als du jetzt bist.«
»Sie war neunzehn? Aber da war sie doch schon mit meinem Dad verheiratet.«
Stephen lehnte sich wieder zurück, schlug sich aufs Knie und begann zu lachen.
»Was ist daran so komisch?«, wollte Bella wissen.
Stephen lachte immer weiter, bis ihm die Tränen kamen.
»Was?«, fauchte Bella und kam ihm mit ihrem Gesicht ganz nahe.
»Du liebe Zeit«, sagte Stephen. »Ein temperamentvolles Mädchen, hm? Das gefällt mir. Nein, mein Liebling, was mich so zum Lachen gebracht hat, ist die Tatsache, dass deine Mutter mit neunzehn eben nicht mit deinem Dad verheiratet war. Sie war nie mit deinem Dad verheiratet.«
»Natürlich. Ich hab doch die Fotos gesehen. Sie haben ein Album.«
»Du begreifst es immer noch nicht, oder?« Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte zu.
»Deine Mutter war nie mit deinem Vater verheiratet – wenigstens bis jetzt noch nicht –, weil …« Er schnellte in die Höhe und breitete die Arme aus wie ein Schauspieler der Royal Shakespeare Company, der sich zum Applaus verbeugt. »… ich dein Vater bin!«
Hätte Stephen sie in ein eiskaltes Schwimmbecken geschubst, hätte der körperliche Schock nicht größer sein können. Bella hatte Mühe, Luft zu holen. Dann schüttelte sie den
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