Haveljagd (German Edition)
Hand.«
Michaelis stand auf und ging langsam weiter in Richtung Blockhütte. »Auch so eine Tatsache, die mich überrascht hat.«
»Ich habe es auch erst erfahren, als wir ihre Unterlagen aus der Praxis mitgenommen hatten. Sie war nicht nur Psychotherapeutin, sondern auch die Schwester des Freiherrn von Woltersbrück. Außerdem auch eine sehr erfolgreiche Medizinerin, bis man ihr die Zulassung entzogen hatte, weil sie als Reproduktionsmedizinerin Sachen gemacht hat, die man in Deutschland nicht tun sollte.«
»Und dann ging sie nach Russland?«
»Ja. Da war es egal, ob man ihr verboten hatte, ihren Beruf auszuüben. Man brauchte ihre Fähigkeiten, denn längst war klar, wie viel Geld sich mit dem Kinderwunsch verzweifelter Paare verdienen ließ.«
»Aber ihr Name?«
»Ich nehme an, du weißt nicht, dass sie eine kurze Zeit lang verheiratet war? Nach ihrer Scheidung hat sie zwar offiziell ihren Mädchennamen wieder angenommen, hat aber im Alltag ständig mit beiden Namen jongliert, hatte auch doppelte Papiere. Mit Geld kann man alles kaufen.«
»Und Inka?«
Inzwischen hatten sie die Blockhütte erreicht und setzten sich auf die Terrasse.
»Ihre Geschichte haben wir schließlich aus dem Bildband bekommen, das Versteck in Tims Regal. Inka Schneider hatte das gleiche Schicksal wie Tim. Auch sie war das Kind einer Leihmutter, allerdings anders groß geworden. Ihre Eltern haben den Kontakt zur leiblichen Mutter nie abreißen lassen, und die hatte sogar die Möglichkeit, Inka hin und wieder zu sehen. Leider kam sie bei einem Verkehrsunfall ums Leben.«
»Und das war der Zeitpunkt, als Inka mit ihren Recherchen begann?«
»Genau«, sagte Manzetti. »Sie war wirklich gut, weißt du? Sie stieß schnell auf brisantes Material, wollte eine große Story über diese Agentur machen, die Karin Leffler hier unter dem Schutz ihres Bruders betrieb. Sie fuhr nach Russland, für weitere Recherchen über die Moskauer Klinik, in der ihre Mutter mit dem Samen ihres deutschen Vaters befruchtet worden war. Übers Internet hatte sie Kontakt zu einem Moskauer Kritiker dieses Krankenhauses bekommen. Das war der Bruder von Tims Leihmutter. Er war seinerzeit in die Klinik eingebrochen, um die Unterlagen seiner Schwester zu stehlen, und wusste daher, wer die deutschen Auftraggeber waren. Seine Schwester war daraufhin zu den leiblichen Eltern nach Deutschland gefahren. Nach ihrem Verschwinden hat ihr Bruder jedoch nichts gegen diese unternommen, weil die feine Familie von Woltersbrück ihre Beziehungen spielen ließ, um ihn mundtot zu machen. Aber er hat Inka mit allen Informationen versorgt, die sie benötigte, um den Skandal in Deutschland aufzudecken. So bekam Inka die Adresse von Kurt Becher, dem Einzigen, der seiner Schwester in der Not beigestanden hatte. Nach außen befragte sie ihn zu dem Kinderpornographieskandal, hat aber nie etwas über ihn geschrieben. Klar, denn in Wirklichkeit ging es beiden ja um das skrupellose Geschäft mit der Leihmutterschaft.«
»Und warum hat Inka nicht sofort eine große Story daraus gemacht?«
»Sie wollte die Bombe in der heißen Phase des Wahlkampfs platzen lassen, um nicht nur von Woltersbrück zu schaden, sondern auch seiner Partei, zu deren Freunden sie nicht gerade zählte.«
»Und Kurt war damit einverstanden?«
»Kurt scheint es immer nur um das Wohl von Tim gegangen zu sein. Er hat unverzüglich Kontakt zu Tims leiblichen Eltern aufgenommen, um sie an den Kosten für seine Betreuung zu beteiligen. So hat Frau von Woltersbrück erstmals von der Existenz ihres behinderten Sohnes erfahren. Wir haben ihr Geständnis. Das war leicht, nachdem wir ihr die Augen über ihren feinen Herrn Gemahl geöffnet haben, der alle Schuld auf sie abwälzen wollte und nicht gezögert hat, sie ans Messer zu liefern. Jetzt liefert sie ihn. «
»Und hat Kurt Erfolg gehabt?«
»Nein, natürlich nicht. Der Herr Oberstaatsanwalt hat alles in die Hand genommen und versucht, ihn durch den Vorwurf der Kinderpornographie zu erpressen. Und damit hatte er ja auch einige Zeit Erfolg. Nur hatte Kurt auch den alten Freiherrn von Woltersbrück über die Existenz seines Enkels in Kenntnis gesetzt. Der war so erbost über das Vorgehen seiner Kinder und über die erneute Weigerung seines Sohnes, Tim anzuerkennen, dass er sein Testament zu Tims Gunsten änderte.«
»Aber dann wäre doch nach seinem Tod alles gut geworden für Tim.«
»Dein Freund Kurt hat aber einen schrecklichen Fehler begangen. Er hat, wie es der
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