Havenhurst - Haus meiner Ahnen
Erleichterung zu empfinden.
„Nein, du bist wunderbar“, erklärte Robert und strich ihr über das Haar. „Du hast Vater, mich und Havenhurst aus der Bedrängnis befreit.“
Um drei Uhr am Nachmittag traf Viscount Mondevale ein, und Elizabeth führte ihn in den gelben Salon. Er schaute sich in dem Raum um, nahm dann ihre Hände zwischen seine und blickte ihr herzlich lächelnd in die Augen.
„Die Antwort lautet ja“, nicht wahr?“ fragte er, was sich jedoch nicht wie eine Frage, sondern eher wie eine Feststellung anhörte.
„Haben Sie denn schon mit meinem Bruder gesprochen?“ erkundigte sich Elizabeth erstaunt.
„Nein.“
„Woher wissen Sie dann, wie die Antwort lautet?“
„Ich weiß es, weil ich die sonst stets gegenwärtige, adleräugige Miss Lucinda Throckmorton-Jones zum erstenmal nach einem ganzen Monat nicht an Ihrer Seite sehe.“ Er drückte Elizabeth einen flüchtigen Kuß auf die Stirn, worauf sie, Elizabeth, errötete. „Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie schön Sie sind?“ fragte er lächelnd.
Davon hatte Elizabeth inzwischen durchaus eine Vorstellung, denn die Leute behaupteten das ja unausgesetzt. Am liebsten hätte sie jetzt die Gegenfrage gestellt: „Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie intelligent ich bin?“ Sie ließ es, denn sie hatte so das Gefühl, damit könnte sie den Viscount Mondevale abschrecken.
„Sie sind bezaubernd“, flüsterte er.
Sie fragte sich, wie er das überhaupt beurteilen wollte. Er konnte doch nicht wissen, wieviel Spaß ihr das Angeln machte, was für eine gute Pistolenschützin sie war, wieviel Blumen offensichtlich nur ihretwegen blühten und wie gern sie lachte. Er wußte von ihr überhaupt nichts, und sie wußte von ihm noch weniger.
Gern hätte sie Lucinda um Rat gefragt, aber die Anstandsdame litt momentan unter Fieber, Heiserkeit und Verdauungsstörungen und war seit gestern nicht mehr aus ihrem Schlafzimmer herausgekommen.
Alle die vielen Fragen beunruhigten Elizabeth auch noch am nächsten Tag, als sie das Haus verließ, um an einer Wochenendgesellschaft teilzunehmen, auf der ihr Ian Thornton begegnen und ihr ganzes Leben verändern sollte.
4. KAPITEL
Die Gesellschaft fand in einem reizenden Landhaus statt, das Valeries älterer Schwester Charise gehörte. Als Elizabeth auf dem Anwesen eintraf, sah sie schon überall im Garten und auf der Terrasse lachende, flirtende und Champagner trinkende Gäste. Nach Londoner Maßstäben handelte es sich nur um eine „kleine“ Gesellschaft, denn an ihr nahmen nur ungefähr hundertfünfzig Personen teil, von denen nur fünfundzwanzig — unter ihnen Elizabeth und ihre drei Freundinnen — während des ganzen Wochenendes blieben.
Wäre Elizabeth nicht so naiv und so unwissend gewesen, hätte sie mit einem Blick erkannt, daß die Gäste hier viel älter, viel erfahrener und viel „loser“ waren als auf anderen Veranstaltungen, und sie hätte sofort kehrtgemacht. So aber war sie geblieben, und noch heute erinnerte sie sich an diese Nacht mit demütigender Schärfe.
In der Abenddämmerung war sie in den kunstvoll angelegten Blumengarten hinausgegangen, um nach ihren Freundinnen zu suchen. Rosenduft hatte die Luft erfüllt, und aus dem Ballsaal waren liebliche Walzerklänge herausgeweht. Diener waren damit beschäftigt, die Fackeln entlang den Gartenweg anzuzünden, wobei einige Pfade absichtlich unbeleuchtet blieben für den Fall, daß sich gewisse Paare später dorthin zurückzuziehen wünschten. Das durchschaute Elizabeth selbstverständlich zunächst nicht.
Nach einigem Suchen fand sie endlich ihre Freundinnen, die am Ende der Terrasse hinter einer Hecke standen und sich aufgeregt über die Leute unterhielten, zu denen sie offenkundig durch das Blattwerk spähten.
„Das ist genau das, was meine Schwester .männliche Verlockung nennt“, kicherte Valerie, woraufhin alle drei Mädchen diese personifizierte männliche Verlockung durch die Hecke hindurch betrachteten; Valerie, die Schwester der erfahrenen Charise, mußte es schließlich wissen. „Ich fasse es noch immer nicht ganz richtig, daß er tatsächlich hier ist“, seufzte sie. „In London werden uns alle beneiden, wenn wir erzählen, daß wir ihn tatsächlich gesehen haben.“
Jetzt entdeckte Valerie Elizabeth. „Schau nur, Elizabeth, ist er nicht auf teuflische Weise göttlich?“ Sie deutete auf das Loch in der Hecke.
Statt durch die Hecke zu lugen, blickte Elizabeth einfach außen herum und betrachtete
Weitere Kostenlose Bücher