Havenhurst - Haus meiner Ahnen
sie zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie eine Unterhaltung in Gang bringen könnte. Anderer Leute Namen zu erwähnen und damit zu zeigen, wen man alles kannte, war ein beliebtes Spiel in der feinen Gesellschaft, wie sie inzwischen wußte.
„Die junge Dame in dem lavendelfarbenen Ballkleid war übrigens Miss Valerie Jamison“, sagte sie deshalb. „Und Miss Georgina Granger war das Mädchen in Gelb.“
Da ihm diese Namen nichts zu bedeuten schienen, erläuterte sie: „Miss Jamison ist die Tochter von Lord und Lady Jamison“, und als Ian Thornton Elizabeth daraufhin nur mit mäßigem Interesse anschaute, fügte sie hinzu: „Die Jamisons von Herfordshire. Sie wissen doch - der Earl und die Countess.“
„Tatsächlich?“ fragte er mild erheitert.
„Ja, wirklich.“ Elizabeth fand das Ganze von Sekunde zu Sekunde unbehaglicher. „Und Miss Granger ist die Tochter der Grangers aus Wiltshire - Baron und Baroness of Gran-gerley.“
„Was Sie nicht sagen“, bemerkte er spöttisch.
Erst jetzt fiel Elizabeth wieder ein, was die Mädchen ihr über Ian Thorntons fragwürdige Herkunft erzählt hatten, und es war ihr peinlich, daß sie so gedankenlos und unbekümmert über Titel mit jemandem gesprochen hatte, der möglicherweise unverschuldet um seinen eigenen Titel gebracht worden war.
Sie räusperte sich und fächelte sich Luft zu. „Wir sind alle wegen der Ballsaison hier“, erklärte sie wenig geistreich.
„Amüsieren Sie sich alle gut?“ erkundigte sich Ian Thornton, und seine Stimme klang sowohl erheitert als auch mitleidig.
„Sehr gut sogar.“ Elizabeth war froh, daß er jetzt endlich ein wenig zur Unterhaltung beitrug. „Miss Granger ist überaus hübsch und von allerfreundlichstem Wesen. Sie hat Dutzende von Kavalieren.“
„Alle mit Rang und Titel, nehme ich an.“
Verlegen senkte Elizabeth den Kopf. „Ich fürchte ja“, antwortete sie leise, und zu ihrem großen Erstaunen zauberte das ein strahlendes Lächeln auf Thorntons Lippen, was sein Gesicht auf geradezu dramatische Weise verwandelte.
Elizabeths Herz schlug einen Purzelbaum, und sie wurde so nervös, daß sie nicht länger stillsitzen konnte. Sie stand auf. „Miss Jamison ist auch reizend“, sagte sie, um auf ihre Freundinnen zurückzukommen.
„Und wie viele Heiratsanträge hat Miss Jamison bereits erhalten?“
Endlich merkte Elizabeth, daß Thornton sie neckte. Daß er sich über ein Thema lustig machte, das die Gesellschaft so furchtbar wichtig nahm, hätte sie beinahe zum Kichern veranlaßt. „Wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe“, sagte sie und versuchte, seine gespielt ernste Tonlage zu imitieren, „bricht die Anzahl ihrer Freier alle Rekorde.“
Thornton lächelte, Elizabeth lächelte zurück, und plötzlich hatte sie das unbestimmte Gefühl, als stünden sich hier zwei alte Freunde gegenüber, die dieselbe Respektlosigkeit teilten, nur daß Thornton das auch offen zeigte.
„Und wie viele Anträge haben Sie selbst erhalten?“ wollte er nun wissen.
Sie schüttelte den Kopf. Selbstverständlich wäre es ungehörig, sich jetzt mit den eigenen Erfolgen zu brüsten. „Also diese Frage war nun wirklich sehr unartig von Ihnen“, tadelte sie scheinbar empört.
„Ich bitte um Vergebung.“ Noch immer lächelnd, neigte er den Kopf.
Im Garten war es inzwischen Nacht geworden. Elizabeth wußte, daß sie eigentlich ins Haus gehen sollte, aber sie mochte die irgendwie intime Atmosphäre nicht zerstören. Sie legte die Hände auf dem Rücken zusammen und blickte zum Sternenhimmel hinauf. „Sehen Sie.“ Mit dem Kopf deutete sie auf einen besonders hellen Stern. „Das da ist die Venus. Oder ist es der Jupiter? Das weiß ich nie so genau.“
„Der Jupiter ist es. Und dort ist der Große Bär.“
Elizabeth lachte leise. „Ich weiß, und ich finde ihn sogar selbst, aber wie Sie und andere Menschen in diesem Sternengewirr einen Bären erkennen können, wird mir ewig schleierhaft bleiben. Was meinen Sie - leben da oben noch irgendwo andere Menschen?“
Er betrachtete sie fasziniert. „Was meinen Sie denn?“
„Ich meine, daß es überheblich ist anzunehmen, wir wären die einzigen Lebewesen in der ganzen weiten Galaxis. Genauso überheblich wie der alte Glaube, daß sich die Sonne mitsamt dem kompletten Universum um die Erde dreht. Galileo vermochte das Gegenteil zu beweisen, aber wie übel hat man ihm das dann gedankt!“
„Seit wann befassen sich Debütantinnen mit Astronomie?“ „Ich hatte viele
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