Havenhurst - Haus meiner Ahnen
ein von seiner Gemahlin gepeinigter Ehemann, den man wegen seiner Zurückhaltung der Dame gegenüber nur bewundern konnte.
Diese Ansicht war in den folgenden Tagen auch die adlige Gesellschaft, und hatte man Ian zuvor wie einen Ausgestoßenen behandelt, begegnete man ihm jetzt mit Mitgefühl.
Elizabeths Stellung in der Gesellschaft veränderte sich ebenfalls. Frauen, die ein freudloses Leben führten, bewunderten sie, Frauen, die gewissermaßen überhaupt kein Leben führten, ignorierten sie, und Ehemänner, deren Frauen genauso waren, wie sie sich vor dem Gericht gegeben hatte, tadelten sie streng, vergaben ihr aber.
Alles in allem hätte sie sich am liebsten in dem Haus in der Promenade Street verkrochen und dort auf Ian gewartet.
Von Alexa und Matthew erfuhr sie, daß er sein Leben so führte, als wäre nichts geschehen. Eine Woche nach seinem Freispruch traf er sich schon wieder mit seinen Bekannten und Freunden zum Glücksspiel im „Blackmore“, besuchte die Oper und führte das Leben eines Angehörigen der oberen Klasse, der ebenso fleißig arbeitete, wie er spielte.
Obwohl das nicht das Bild war, das Elizabeth von ihrem Gemahl hatte, entschied sie sich schließlich, seinem Beispiel zu folgen, und so kam es, daß sie einander gelegentlich auf Bällen oder in der Oper begegneten, wobei Ian dann jedesmal durch sie hindurchzusehen schien.
Alexa überzeugte sie davon, daß er ein wenig schneller zur Besinnung kommen würde, wenn er sähe, daß er Konkurrenz hatte. Also flirtete Elizabeth auf dem Ball bei den Franklins offen mit Viscount Sheffield und stellte mit einem verstohlenen Blick fest, daß Ian das auch sah. An diesem Abend verließ er den Ball mit Lady Jane Addison am Arm.
Sein Verhalten empörte Alexa. „Der Mann kämpft mit deinen Waffen“, erklärte sie Elizabeth. „Dabei soll er doch mit Eifersucht reagieren! Meinst du, er will dich tatsächlich für immer aus seinem Leben vertreiben?“
„Ja“, antwortete Elizabeth schlicht.
„Was willst du dagegen tun?“
„Was ich tun muß... alles, was mir einfällt. So lange er weiß, daß er mir immer wieder begegnen wird, kann er mich nicht vollständig vergessen, und ich habe noch nicht ganz verloren.“
Hier irrte sie sich indessen. Einen Monat nach Ians Freispruch trat Bentner in den Salon, in dem sie und Alexa saßen, und meldete die Ankunft eines Mr. Larimore. „Er sagt, er habe Papiere, die er Ihnen persönlich aushändigen müsse.“ Elizabeth wurde blaß. Sie erinnerte sich, daß Mr. Larimore Ians Advokat war. „Hat er gesagt, was für Papiere es sind?“ Bentner blickte zur Seite. „Er sagt, es seien die Papiere, mit denen die Scheidung verlangt wird.“
Elizabeths Beine drohten nachzugeben.
Stützend nahm Alexa ihre Freundin in die Arme. „Ich könnte diesen Menschen wirklich hassen!“ rief sie aus. „Sogar Matthew wird langsam wütend auf ihn.“
Wie betäubt von Schmerz befreite sich Elizabeth aus Alexas Armen und sah Bentner an. Sie wußte, daß ihr keine Hoffnung, keine verzögernde Taktik mehr blieb, falls sie die Papiere jetzt offiziell entgegennähme. Und dann wäre alles zu Ende.
„Bentner, sagen Sie Mr. Larimore, ich hätte während Ihrer Mittagspause das Haus verlassen; Sie hätten meine Zofe befragt und diese hätte Sie informiert, ich hätte heute abend ins Theater gehen wollen mit...“ Sie schaute Alexa fragend an, und diese nickte nachdrücklich. „... mit Lady Townsende. Erfinden Sie für heute nachmittag und morgen, was Sie wollen, aber denken Sie sich möglichst viele Einzelheiten aus, die ,erklären“, weshalb ich nicht hier bin.“
Ein Butler, der nicht so versessen auf Kriminalromane war, hätte vielleicht nicht so schnell begriffen, doch Bentner nickte und schmunzelte. „Sie wollen, daß er überall nach Ihnen sucht, während Sie hier Ihre Sachen packen und verschwinden können, nicht wahr?“
„Genau.“ Elizabeth lächelte dankbar. „Und danach schicken Sie eine Botschaft an Mr. Thomas Tyson. Das ist ein Reporter der ,Times“, dem ich ein Interview zugesagt hatte. Teilen Sie ihm mit, ich gäbe ihm fünf Minuten, wenn er heute abend herkommen kann.“
„Wohin willst du gehen?“ wollte Alexa wissen.
„Schwöre mir, daß weder Ian noch Matthew von dir etwas erfährt.“
„Du hast mein Wort.“
„Ich reise an den Ort, an dem Ian mich zuallerletzt vermuten würde, an den Ort, zu dem er sich zurückziehen wird, wenn er zu der Ansicht gekommen ist, daß er mich finden muß, und Frieden
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