Hawaii
es eine Liebesaffäre, und an einem Dienstag war Reiko sogar so kühn, ihre Mittagspause bis vier Uhr auszudehnen. An diesem sonnigen Tag gab es auch heiße Küsse und leidenschaftliche
Umarmungen. In der Nacht darauf schlüpfte sie von zu Hause fort und wartete auf Leutnant Jacksons Chevrolet. Sie fuhren zum Diamond Head hinaus und parkten in einem Liebespfad. Die Leute aus Honolulu nannten das: »Die Mitternachtsathleten, die dem Wettrennen der Unterseeboote unter dem Vollmond zusehen.« Aber die Küstenpatrouille, die die Wagen kontrollierte, nannte es einfach >ländliches Getändelc, und als sie in den Chevrolet blickten, waren sie erstaunt.
»Was tun Sie mit einer Japse, Leutnant?«
»Ich unterhalte mich.«
»Mit einer Japse?«
»Ja. Mit einer Japanerin.«
»Zeigen Sie mir Ihre Papiere.«
»Sie fragen auch die andern nicht nach ihren Papieren.«
»Sie sind mit weißen Mädchen zusammen.«
Mit einiger Verwirrung zog Leutnant Jackson seinen Ausweis heraus, und die Männer von der Küstenstreife schüttelten den Kopf. »Das schlägt dem Faß den Boden aus«, sagte einer der Matrosen. »Ist sie ein Mädchen von hier?«
»Natürlich.«
»Sprechen Sie englisch, meine Dame?«
»Ja.«
»Nun, ich nehme an, es ist in Ordnung, wenn sich ein Marineoffizier nicht darum kümmert, ob er sich mit einer Japse einläßt oder nicht.«
»Sehen Sie, mein Bürschchen...«
»Wollen Sie Streit anfangen, Herr Leutnant?«
Leutnant Jackson blickte zu den beiden hünenhaften Matrosen auf und sagte: »Nein.«
»Haben wir uns gedacht. Gute Nacht, Japs-Liebling.«
Leutnant Jackson saß einige Augenblicke schweigend da.
Dann sagte er: »Der Krieg ist unglaublich. Wenn diese beiden Jungen am Leben bleiben, bis wir nach Tokyo kommen, werden sie sich wahrscheinlich in Japanerinnen verlieben und sie heiraten. Mit welcher Verwirrung werden sie an diese Nacht zurückdenken.«
»Werden unsere Männer bald in Tokyo sein?« fragte Reikochan.
Der Leutnant war von der Art beeindruckt, wie sie >unsere Männer< sagte, und er fragte: »Warum drückst du das so aus?«
Sie antwortete: »Ich habe vier Brüder, die in Europa stehen.«
»Du hast... «
Er war sprachlos, sprang, ohne weiter nachzudenken, aus dem Wagen und rief: »Heh, Küstenstreife! Küstenstreife!«
Die beiden jungen Polizisten eilten herbei und fragten: »Was ist los, Herr Leutnant? Hat sie sich als Spion entpuppt?«
»Jungens. Ich möchte Ihnen Miß Reiko Sakagawa vorstellen. Ihre vier Brüder kämpfen in Italien für die amerikanische Armee. Während Ihr und ich hier in Hawaii auf unseren fetten Hintern sitzen. Als Ihr vorhin hier vorüberkamt, wußte ich es noch nicht.«
»Sie haben vier Brüder im Krieg?«
»Ja«, sagte sie ruhig.
»Alle in der Armee?«
»Ja- Japaner dürfen nicht zur See.«
»Madam«, sagte einer der beiden Männer, ein Junge aus Georgia. »Ich hoffe nur, daß Ihre vier Brüder wieder heil nach Hause kommen.«
»Gute Nacht, Fräulein«, sagte der andere.
»Nacht, Jungens«, murmelte Jackson, und als die Streife davonfuhr, stammelte er: »Reikochan, ich finde, wir sollten heiraten.« Sie seufzte, preßte ihre Hände zusammen und sagte:
»Ich dachte, deine Aufgabe sei es, dafür zu sorgen, daß eure Leute sich nicht mit Mädchen wie mir verheiraten?«
»Das stimmt. Aber hast du nicht bemerkt, daß die Leute mit solchen Pflichten immer dem zum Opfer fallen, was sie bekämpfen? Es ist unwahrscheinlich. Ich habe in mehr als dreihundert solchen Fällen eingegriffen, und immer handelte es sich um Männer aus dem tiefen Süden.«
»Was hat das mit uns zu tun?« fragte Reikochan.
»Weißt du, zu Hause hat man diese Leute aus dem Süden von Jugend an gelehrt, daß jeder Mensch mit einer anderen Hautfarbe schlecht und verächtlich sei. In ihren Herzen wissen sie, daß das nicht wahr sein kann, und sobald sie Gelegenheit haben, eine Frau mit einer anderen Hautfarbe kennenzulernen, entdecken sie, daß sie ein menschliches Wesen ist. Wie unter einem Zwang verlieben sie sich in sie und heiraten.«
»Bist du auch vom Süden, Leutnant? Stehst du unter demselben Zwang?«
»Ich bin von Seattle. Aber ich stehe unter einem Zwang, der größer ist als alles andere. Nach Pearl Harbor gab mein Vater, der im Grunde ein lieber Mensch ist, das Zeichen, alle Japaner in Konzentrationslager zu sperren. Er wußte, daß er etwas Böses tat. Er wußte, daß er falsche Behauptungen aufstellte und zu seinem eignen Vorteil handelte. Aber dennoch schreckte er nicht davor
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