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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Ischii bekümmert. »Der Kaiser wird dir nie verzeihen, was du getan hast.«
    Sakagawasan wurde schwach. Er hatte immer seine Zweifel gehabt, ob es richtig war, seine Söhne in den Krieg zu schicken, und jetzt bestärkte ihn das Blatt aus Wyoming nur in diesen Zweifeln. Trostlos blickte er zu seinem alten Führer hinüber, und Ischii, der diesen Augenblick der Demütigung bis zur Neige auskostete, sagte schließlich: »Ich werde natürlich beim General ein gutes Wort für dich einlegen. Ich werde ihm sagen, daß du immer ein guter Japaner warst.«
    »Danke, Ischii!« rief der Barbier. »Du bist der einzige Freund, auf den ich mich verlassen kann.«
    Die Sakagawas gingen an diesem Abend sehr beunruhigt zu Bett. Am nächsten Tag wartete Reikochan an ihrem Barbiersessel, bis sich ein intelligent aussehender junger Marineoffizier darauf setzte, und dann fragte sie leise: »Können Sie mir bitte helfen?«
    »Natürlich«, sagte der Offizier. »Heiße Jackson, aus Seattle.«
    »Ein Mann sagte mir gestern abend, daß Japan Hawaii jeden Augenblick angreifen könnte. Ist das wahr?« Der Marineoffizier ließ seinen Unterkiefer hängen und zerrte das Handtuch fort. Dann wandte er sich Reiko zu, die damals sechsundzwanzig Jahre alt und zu voller Schönheit erblüht war.
    Er lächelte und fragte: »Gütiger Himmel, Fräulein! Was haben Sie da aufgeschnappt?«
    »Man hat mir aus sicheren Quellen berichtet, daß die japanischen Schiffe uns jederzeit angreifen könnten.«
    »Sehen Sie, meine Dame!« Der Offizier wollte sie necken. »Wenn Sie ein Spion sind, der versucht, Geheimnisse aus mir...«
    »O nein!« Reiko errötete. Dann sah sie, wie ihr Vater auf sie zukam, um darauf hinzuweisen, daß Unterhaltungen mit den
    Kunden nicht gestattet waren. Sie legte dem Marineoffizier schnell wieder das Handtuch um, und begann ihn zu rasieren. »Wir dürfen hier nicht reden«, flüsterte sie. »Wo essen Sie zu Mittag?« fragte der Offizier. »Senaga«, flüsterte sie.
    »Ich werde dort auf Sie warten und Ihnen vom Krieg erzählen.«
    »Oh, das kann ich nicht!« Reiko errötete.
    »Sehen Sie, ich bin aus Seattle. Ich habe viele japanische Mädchen gekannt. Senaga, abgemacht.«
    An der Theke des Restaurants, das von einem Schweinezüchter aus Okinawa namens Senaga geführt wurde, überraschte Leutnant Jackson Reiko damit, daß er Suschi und Saschimi bestellte und mit Stäbchen zu essen begann. »Ich habe in Japan gedient«, sagte er. »Wenn mich mein Vorgesetzter mit Eßstäbchen erwischt, werde ich vors Kriegsgericht gestellt. Unpatriotisch.«
    »Wir versuchen alle, mit Gabeln zu essen«, sagte Reiko. »Jetzt über die Japs-Invasion«, sagte Jackson. »Würden Sie uns bitte nicht Japs nennen?« fragte Reiko. »Sie sind Japanerin«, lachte Jackson freundlich. »Die Feinde sind die Japsen. Was ist ihr Vorname? Reiko, das ist hübsch. Nun, Reikochan...«
    »Wo haben Sie Reikochan gelernt?«
    »In Japan«, sagte er beiläufig. »Haben Sie eine Reikochan gekannt?«
    »Ich kannte eine Kiokochan.«
    Beide aßen schweigend. Reiko hätte gerne viele Fragen gestellt, und Leutnant Jackson hätte gerne vieles erklärt. Aber keiner sprach, bis Reiko im selben Augenblick mit ihrer Gabel in den Saschimi stach, als auch der Offizier mit seinen Stäbchen danach griff. Sie mußten beide lachen, und Jackson sagte: »Ich war sehr verliebt in Kiokochan, und sie brachte mir ein bißchen Japanisch bei. Das ist auch der Grund, weshalb ich hier eine
    Anstellung habe.«
    »Welche?« fragte Reiko ernst, und ihr Gesicht errötete.
    »Ich spreche ein wenig Japanisch. Nun, wissen Sie, ich bin nicht wirklich ein Offizier. Ich bin ein Rechtsanwalt aus Seattle. Ich bin beim Generaladjutanten, und meine Aufgabe ist, japanische Familien aufzusuchen und ihnen zu erklären, daß ihre Töchter nicht amerikanische G.I.s heiraten sollen. Ich besuche etwa zwanzig Familien in der Woche. Sie wissen ja, wie die amerikanischen Männer sind. Sie sehen ein schönes Mädchen und möchten es sofort heiraten. Meine Aufgabe ist es, das zu verhüten.« Plötzlich brach er seine Eßstäbchen mitten durch, und seine Knöchel wurden weiß vor Verbitterung. »Jede Woche, Reikochan, sehe ich ungefähr zwanzig japanische Mädchen und rede mit ihnen, und jede von ihnen erinnert mich an Kiokochan, bald werde ich wahnsinnig.« Er blickte geradeaus, ein Mann, dem das Herz im Schraubstock seiner Leidenschaft entzweigeklemmt wird. Der Appetit war ihm vergangen. Reiko, die ein praktisches Mädchen war, aß

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