Hawaii
der Eisenbahnstation jubelnd begrüßt wurden.« Frau Whipple sprach von den japanischen Soldaten immer als von >unseren Jungenc, und mit der Zeit taten die anderen Haoles in Hawaii dasselbe.
So war dieser Nachmittag recht anstrengend gewesen, gleichgültig ob sich die Unterhaltung nun um Todesopfer oder Triumphe drehte, und Sakagawas Frau, deren Füße in den amerikanischen Schuhen schmerzten, eilte nach Hause, um dort ein wenig Ruhe zu finden. Statt dessen fand sie dort ihren Mann, der vorzeitig aus seinem Barbiergeschäft zurückgekehrt war, und sie wußte gleich, daß irgend etwas Schlimmes vorgefallen war. Ehe sie noch fragen konnte, schrie Kamejiro schon: »Eine schöne Tochter hast du mir da großgezogen! Sie ist in einen
Haole verliebt!«
Es waren die bittersten Worte, die es für Sakagawas Frau geben konnte. Einige japanische Mädchen, mußte sie zugeben, gingen zwar in aller Offenheit mit Weißen, aber sie stammten nicht aus anständigen Familien, und es gab sogar einige, die unter dem Druck des Krieges zu Prostituierten herabgesunken waren. Sie war jedoch der Überzeugung, daß diese Mädchen entweder Etas waren oder aus Okinawa stammten. Es wäre unausdenkbar gewesen, daß ein japanisches Mädchen im Bewußtsein des stolzen Blutes, das in ihren Adern floß...
»Und Sakai hat seine Tochter aus dem Friseurladen genommen, damit sie nicht auch angesteckt wird. Und Hasegawa wird seine Tochter morgen holen.«
Er war den Tränen nahe und rief: »Wir sind ruiniert.« Aber etwas viel Schlimmeres kam ihm zum Bewußtsein. Er ließ sich in einen Stuhl fallen, verbarg sein Gesicht in den Händen und schluchzte: »Unsere Familie hat nie vorher etwas Schändliches begangen.« Frau Sakagawa, die noch nicht glauben konnte, daß ihre Tochter Schande auf die Familie gebracht haben sollte, streifte ihre amerikanischen Schuhe ab, bewegte erleichtert ihre Zehen und kniete neben ihrem gequälten Mann nieder. »Kamejiro«, flüsterte sie, »wir haben Reiko zu einer guten Japanerin erzogen. Ich bin sicher, daß sie uns keine Schande machen wird. Irgend jemand muß dir eine Lüge erzählt haben.«
Verzweifelt stieß der kleine Sprengarbeiter seine Frau beiseite und schritt durchs Zimmer. »Ich habe sie gesehen! Sie hat ihn fast geküßt. Vor allen Leuten. Und ich habe mir auch meine Gedanken gemacht. Wo war sie an dem Nachmittag, als sie sagte, es ginge ihr nicht gut? Bei dem Haole. Und wo war sie, als sie sagte, sie wolle in ein Kino gehen? Sie fuhr in einem dunklen Auto mit einem Haole. Ich hörte an diesem Abend, wie ein Auto anhielt. Aber ich war zu dumm, um mir einen Reim daraus zu machen.« In diesem Augenblick trat Reikochan herein. Ihr Gesicht war gerötet von der Liebe und von dem eiligen Gang nach Hause. Aber an den Gesichtern ihrer Eltern erkannte sie sofort, daß ihr Geheimnis entdeckt worden war. Ihr Vater sagte mit einem herzzerreißenden Seufzer: »Meine eigene Tochter! Mit einem Haole!« Ihre Mutter war noch immer bereit, den ganzen Skandal von sich zu schieben, und fragte: »Es kann doch nicht wahr sein, oder?« Reikochan, deren dunkle Augen im Feuer einer inneren Gewißheit glühten, die sie über die kommende Auseinandersetzung hinwegtragen sollte, antwortete: »Ich bin verliebt, und ich möchte heiraten.« Niemand sprach ein Wort. Kamejiro fiel auf seinen Stuhl zurück und verbarg sein Gesicht. Sakagawas Frau starrte ihre Tochter ungläubig an und begann sie dann mit übermäßiger Besorgtheit zu behandeln, als wäre sie schon schwanger. Reiko lächelte amüsiert, aber dann war sie betroffen von dem jämmerlichen Seufzer, den ihr Vater ausstieß. Sie kniete neben ihm nieder und sagte rasch: »Leutnant Jackson ist ein wundervoller Mann, Vater. Er ist verständig, und er hat in Japan gelebt. Er hat eine gute Stelle in Seattle, aber er denkt daran, sich nach dem Krieg hier niederzulassen.« Sie zögerte, denn niemand hörte ihr zu. Dann fügte sie hinzu: »Aber wo er auch hingehen mag, ich werde mit ihm ziehen.«
Langsam schob sich ihr Vater vom Tisch ab, rückte von seiner Tochter fort und starrte sie entsetzt an. »Aber du bist doch eine Japanerin!« rief er schließlich in seiner Verzweiflung.
»Ich werde ihn heiraten, Vater«, wiederholte die Tochter mit Nachdruck. »Aber du bist eine Japanerin«, sagte er. Er nahm ihre Hand und fuhr fort: »Du hast das Blut Japans, die Stärke einer großen Nation, alles...« Er versuchte ihr zu erklären, wie unmöglich ihr Vorhaben sei, aber er konnte nur immer
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