Hawaii
den rohen Fisch auf und sagte: »Ich muß zurück an meine Arbeit.«
»Wollen Sie morgen wieder mit mir zu Mittag essen?« fragte der Offizier. »Ja«, sagte sie, aber als er sie auf die Straße begleiten wollte, erschrak sie über sich und sagte: »Mein Vater würde sterben.«
»Glaubt er, daß die japanische Flotte bald eintreffen wird?«
»Nicht er«, log sie. »Aber sein Freund. Was ist die Wahrheit?«
»In ein oder zwei Jahren werden wir Japan niedergezwungen haben.« An diesem Abend sagte Reikochan zu ihrem Vater, daß doch irgend etwas mit der Zeitung aus Wyoming nicht stimmen konnte, denn Japan gewann nicht den Krieg. Aber da wurde Sakagawasan wütend, denn er hatte eine neue Ausgabe der PRÄ RIE SCHINBUN mitgebracht, in der nur noch haarsträubendere Meldungen als in der ersten standen. Und als
Reiko ihm geduldig daraus vorlas, fragte sie sich: »Wer sagt die Wahrheit?«
Dann kam der Beweis. Präsident Roosevelt traf auf einem Kriegsschiff in Honolulu ein. Die Sakagawas sahen ihn mit eignen Augen, als er unter dem Schutz Dutzender Männer des Geheimdienstes durch die Straßen Honolulus fuhr. Für Sakagawasan war das ein Beweis, daß Amerika stark war, aber er hatte nicht mit Ischiis überlegenem Verstand gerechnet. Kaum waren die langen, schwarzen Limousinen vorüber, als auch schon der kleine Mann mit einer aufregenden Neuigkeit in den Barbierladen stürzte. »Habe ich es dir nicht gesagt?« flüsterte er. »Oh, ungeheuerlich! Komm schnell zu Sakai.«
Sakagawa überließ den Barbierladen seiner Tochter und schlich sich durch eine Seitenstraße zu Sakais Laden. Er schlüpfte durch die Hintertür hinein, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, denn es war den Japanern noch immer untersagt, sich zu versammeln. In dem Hinterraum unterhielt sich schon Ischii mit verschiedenen anderen erregten alten Männern über die aufregende Nachricht. Einen Augenblick lang verstand Sakagawa nicht, worum es ging, aber bald erklärte ihm Ischii alles.
„Präsident Roosevelt ist hierauf seinem Weg nach Tokyo vorbeigekommen. Er wird sich in Frieden unterwerfen, auf dem Yasukum Altar als ein Kriegsverbrecher hingerichtet, und die japanische Flotte ist in drei Tagen hier.«
Ischiis Geschichten waren immer mit Einzelheiten und Daten ausgestattet, und man hätte denken sollen, seine Zuhörer wären schließlich darauf aufmerksam geworden, daß seit drei Jahren keine seiner Prophezeiungen in Erfüllung gegangen war. Aber die Hoffnung auf den Sieg war in den Herzen einiger seiner Zuhörer so stark, daß er niemals auf seine Irrtümer aufmerksam gemacht wurde. »In drei Tagen!« sagte er. »Schiffe der kaiserlichen Flotte werden in Pearl Harbor einlaufen. Aber ich werde dich beschützen, Sakagawasan, und ich werde den Kaiser bitten, dir zu vergeben, daß du deine Söhne in den Krieg geschickt hast.«
Als Präsident Roosevelt Honolulu verließ, um sich zu seiner Enthauptung nach Tokyo zu begeben, wartete Ischii, der vor Aufregung dem Zusammenbruch nahe war, auf die Ankunft der kaiserlichen Schlachtschiffe. Drei Nächte schlief er auf dem Dach seines Hauses. Und in dem kleinen Haus in Kakaako wartete sein Freund Sakagawa in Furcht und Zagen. Am vierten Tag, als deutlich wurde, daß sich die kaiserliche Flotte verspätete, ließ Ischii das Thema fallen und nahm statt dessen ein anderes Gerücht aus der PRÄRIE SCHINBUN auf: Japan hatte sowohl Australien wie Neuseeland erobert. Er erklärte Sakagawa, daß es vielleicht gut wäre, nach Australien auszuwandern, denn unter der Herrschaft der Japaner gab es dort sicher gutes Land für alle.
Reikochan diskutierte all diese Gerüchte mit Leutnant Jackson, der geduldig zuhörte, wenn das hübsche Mädchen ihm ihre Ängste mitteilte. Er mußte immer lachen und bemerkte eines Tages: »Dieser Ischii muß ein ziemlicher Tropf sein.« Aber Reiko verteidigte den kleinen Mann: »Er kam vor langer Zeit aus Hiroschima und hat in schlechten Verhältnissen gelebt.« Der Offizier sagte: »Er sollte sich besser überlegen, was er sagt. Er könnte in Schwierigkeiten geraten.«
Reikochan mußte lachen und sagte: »Niemand nimmt Ischii ernst. Er ist so ein lieber, harmloser, kleiner Mann.«
Man kann eine Reihe von Begegnungen in einem Barbierladen unter dem Adlerblick Kamejiro Sakagawas und in einem überfüllten Okinawa-Restaurant kaum als eine Liebesaffäre bezeichnen, denn zwischen Reikochan und Leutnant Jackson gab es keine hinreißenden Küsse und kein zögerndes Abschiednehmen. Aber dennoch war
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