Hawaii
aber er war kein Poet.
Im Augenblick des Triumphes gewahrte er jedoch eine Leere in sich, die ihn schon seit vielen Tagen bedrückt hatte und die wohl nie mehr von ihm weichen sollte. Als er die Bedeutung des festen Sternes endlich erfaßt hatte, sehnte er sich danach, diese Idee mit Malama zu diskutieren; aber sie war nicht mehr an seiner Seite, und es hatte wenig Sinn, mit Tehani über solche Dinge zu sprechen. Denn Malama hätte seinen Gedanken sofort begriffen, während die schöne kleine Tehani zum Himmel aufgeblickt und gefragt hätte: »Welcher Stern?« Seltsam hallte in Teroros Ohren der letzte Schrei Malamas nach: »Ich bin das Kanu!« Auf eine sonderbare Weise war sie es wirklich, denn sie war der vorangehende Geist des Kanus. Oft sah Teroro ihr ernstes Gesicht vor sich auf den Wellen, und wenn WARTET-AUF-DEN-WESTWIND auf seiner raschen Fahrt diese Vision überholte, dann lächelte Malama ihnen zu, und Teroro wußte, daß alles gut war.
Sie stürzten sich in die dörrende Hitze der Kalmen. Die Sonne brannte tags auf sie herab, und nachts verhöhnten die regenlosen Sterne sie. Jetzt zogen nicht einmal mehr die fernen Gewitter mit der quälenden Hoffnung auf Regen an ihnen vorüber. Sie wußten, daß keiner kommen würde.
Teroro ordnete an, daß Mato und Pa, die beiden kräftigsten Ruderer, nicht mehr gleichzeitig den Dienst versahen. Außerdem wechselte von nun an die Mannschaft, nachdem sie eine Stunde lang im rechten Schiffsrumpf gerudert und sich dabei die Muskeln der linken Schulter ermüdet hatte, in den linken Rumpf über und umgekehrt. Bei jedem Wechsel schieden sechs Mann aus, um sich auszuruhen. Aber das Kanu fuhr stetig weiter.
Von Zeit zu Zeit griffen auch die stärkeren Frauen zu den Riemen. Dann erfolgte der Wechsel schon nach einer halben Stunde. Währenddessen waren die Handwerker und Sklaven unentwegt tätig, das Wasser auszuschöpfen, das durch die Fugen eindrang.
Es war eine Ironie des Schicksals und eine Tatsache, die von allen bemerkt wurde, daß in den Zeiten des Sturms, da es reichlich Trinkwasser gab, die Segel alle Arbeit leisteten, während jetzt, da die Männer schwitzten und sich endlos in die Riemen legen mußten, das Wasser fehlte. Der König befahl, das Wasser in immer kleineren Portionen auszuschenken, so daß die Männer weniger zu trinken bekamen, je mehr sie arbeiten mußten. Die Frauen, die fast kein Wasser erhielten, litten unendlich, und die Sklaven waren dem Tode nah. Die Bauern hatten eine besonders grausame Aufgabe. Hingebungsvoll hielten sie die Mäuler der Schweine und Hunde auf und tropften Wasser hinein, damit die Tiere am Leben blieben, während sie selbst die Flüssigkeit dringender nötig hatten als die Tiere. Aber der Tod eines Bauern war zu verschmerzen, während der Tod eines Schweins eine Katastrophe gewesen wäre.
Das Kanu trieb weiter. Nachts stellte Teroro mit brennenden Lippen eine Kokosschale voll Seewasser vor sich in den Bug, fing darin den Widerschein des festen Sternes auf und hielt danach den Kurs des Schiffes. Bei Tagesanbruch setzte sich Teura, deren alter Leib von der Sonne fast gänzlich ausgedörrt war, in die sengende Hitze und sann über die Omen nach. Immer wieder murmelte sie: »Was könnte Regen bringen?« Der Flug der Vögel hätte zeigen können, wo eine Insel und wo Wasser war. Aber die Vögel flogen nicht. »Rote Wolken am östlichen Himmel bringen sicher Regen«, erinnerte sie sich. Aber es waren keine Wolken zu sehen. Nachts strahlte der Vollmond wie ein polierter Stein, aber sie fand keinen Ring um seine Scheibe, der Sturm verkündet hätte. »Wenn ein Wind aufkäme«, murmelte sie, »brächte er uns vielleicht auch Regen«, aber der Wind blieb aus. Immer wieder sang sie: »Steh auf, steh auf, große Welle von Tahiti. Blas herab, blas herab, großer Wind von Moorea.« Aber in diesen neuen Gewässern waren ihre Beschwörungen machtlos.
Ein Tag folgte dem andern mit unerbittlicher Hitze, die schlimmer war als alles, was das Kanu bisher durchgestanden hatte. Am siebzehnten Tag starb eine der Frauen, und als ihr Körper der ewigen Fürsorge Ta'aroas, des Gottes der geheimnisvollen Tiefen, anheimgegeben wurde, weinten die Männer, die mit ihr zusammen hätten leben sollen. Das ganze Kanu wurde von einer tiefen Sehnsucht nach dem Regen und den kühlen Tälern Bora Boras ergriffen, und es war nicht erstaunlich, daß viele sich beklagten, diese Reise angetreten zu haben.
Auf heiße Nächte folgten brennende Tage, und das einzige,
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