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Hawkings neues Universum

Hawkings neues Universum

Titel: Hawkings neues Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH und Co. <Stuttgart>
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nur, wie Wald deutlich machte: Sie rückt es an den Anfang unseres Universums. Der allerdings liegt in finsterer Vergangenheit – und dies ist nicht nur metaphorisch zu verstehen. Erst 380.000 Jahre später wurde es Licht, als sich das Weltall so weit abgekühlt hatte, dass die heute noch messbare Kosmische Hintergrundstrahlung freigesetzt wurde. Da sie – abgesehen von winzigen Temperaturschwankungen in der Größenordnung von einem Hunderttausendstel Grad – homogen ist, muss die Materie damals außerordentlich gleichförmig verteilt und mit der Strahlung im thermischen Gleichgewicht gewesen sein. (Für Experten: Das Spektrum der Kosmischen Hintergrundstrahlung gehorcht nahezu perfekt der Schwarzkörperstrahlung.) Das mutet auf den ersten Blick paradox an, wird ein solches Gleichgewicht doch oft für das Maximum der Entropie gehalten – wie beim Wärmetod des Universums, den sich Physiker im 19. Jahrhundert als das öde Ende der Welt ausgemalt hatten, bei dem nur noch Wärme übrig sei, sonst nichts.
    Doch der Schein trügt: Der homogene Feuerball des frühen Universums besitzt keine hohe, sondern eine sehr niedrige Entropie! Denn in der Bilanz darf die Schwerkraft nicht vernachlässigt werden, was lange nicht erkannt wurde. Und diese hat die gegenläufige Tendenz: Verklumpung, nicht Homogenisierung.
    Auf großräumigen Skalen zeigt Homogenität also keine hohe, sondern im Gegenteil eine sehr niedrige Entropie an, weil der Entropie-Anteil der Gravitation so gering ist. Die stärksten „Konzentrationen“ der Schwerkraft, die Schwarzen Löcher, sind auch die größten Entropie-Ansammlungen. Der Gravitationskollaps führt, physikalisch gesprochen, zur höchstmöglichen Unordnung. Ein einziges Schwarzes Loch mit einer Masse von einer Million Sonnen (wie beispielsweise im Zentrum der Milchstraße) hat 100-mal so viel Entropie wie alle gewöhnlichen Teilchen im gesamten beobachtbaren Weltraum. Doch die Homogenität der Kosmischen Hintergrundstrahlung und weitere astronomische Beobachtungen zeigen ganz deutlich, dass Schwarze Löcher im frühen Universum nicht dominiert haben – und das ist bis heute so geblieben.
    Vor diesem Hintergrund erscheint die einstige extreme Gleichförmigkeit der Materieverteilung und die „Flachheit“ der Raumzeit unseres Universums selbst fast wie ein Wunder. Das hat als Erster Roger Penrose erkannt – und sogar quantifiziert. Im Vergleich zu allen möglichen Konfigurationen von Materie und Energie in unserem Universum ist der tatsächliche Zustand des Alls extrem unwahrscheinlich. Penrose hat ihn auf nur 1:10 10 123 beziffert. Nach neuesten Rechnungen sind es 1:10 10 121 . Diese doppelte Hochzahl 10 hoch 10 hoch 121 (10 hoch eine 1 gefolgt von 121 Nullen) ist unvorstellbar riesig. Sie hat so viele Nullen, dass sie ausgedruckt im Format dieses Buchs einen Stapel ergeben würde, dessen Volumen sehr viel größer als das Volumen unseres beobachtbaren Universums wäre.
    Ein Universum voll von Schwarzen Löchern ist also extrem viel wahrscheinlicher als unseres. Doch ein solches sehen wir nicht – wir könnten noch nicht einmal darin leben. Insofern ist 1:10 10 121 sogar eine Voraussetzung für unser Dasein.
    Wir existieren in einer lebensfreundlichen Welt voller Ordnung, im thermodynamischen Sinn, weil der Urknall höchst „ordentlich“ war. Und, so sind die meisten Wissenschaftler inzwischen überzeugt, genau deshalb läuft das Universum wie ein „Uhrwerk“ ab – mit einer eindeutigen Zeitrichtung. „Die Entdeckung des kosmologischen Ursprungs der geringen Entropie des Universums ist eine der größten Errungenschaften der Physik des späten 20. Jahrhunderts“, kommentiert der Philosoph Huw Price von der University of Sydney.
    Doch was hat das Uhrwerk unseres Universums aufgezogen? Wie kam es zu diesem höchst speziellen U(h)rknall? Verbirgt sich dahinter der Zufall, eine naturgesetzliche Notwendigkeit oder sogar ein grandioser Plan? Tatsächlich wurde in der kosmischen Unwahrscheinlichkeit sogar eine Art „Entropie-Beweis“ der Existenz Gottes gesehen – ein Argument, das freilich weder theologisch überzeugen kann noch physikalisch weiterhilft.
    Die Frage bleibt also: Was verursachte die geringe Entropie des frühen Universums?
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