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Hawkings neues Universum

Hawkings neues Universum

Titel: Hawkings neues Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH und Co. <Stuttgart>
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eröffnet eine weitere Möglichkeit, indem er gleichsam einen theoretischen Schritt zur Seite tritt. „Man kann sich aber auch eine andere Zeitrichtung vorstellen, die in rechten Winkeln zur realen Zeit verläuft“, sagt Hawking. „Diese nennt man die imaginäre Richtung der Zeit. In der imaginären Richtung der Zeit muss es keine Singularitäten geben, die einen Anfang oder ein Ende des Universums bilden.“
    Hinter dieser Aussage steckt ein mathematischer Trick. Dabei wird die Zeitvariable t mit dem Faktor i multipliziert, das heißt durch i ∙ t ersetzt. (Die imaginäre Zahl i ist definiert als i 2 = –1; somit lassen sich alle imaginären Zahlen auf dem imaginären Zahlenstrahl als reelle Vielfache von i ordnen, zum Beispiel ... –2i, –i, 0, i, 2i, 3i ... analog zur Ordnung der reellen Zahlen ... –2, –1, 0, 1, 2, 3...) Dann führt man die Rechnungen aus und ersetzt anschließend i ∙ t durch eine neue Zeitvariable T. Diese Operation, t durch i ∙ t zu ersetzen, heißt Wick-Rotation, benannt nach dem italienischen Physiker Gian-Carlo Wick. Durch sie wird die vierdimensionale Raumzeit in einen vierdimensionalen Raum umgewandelt, in dem sich die physikalischen Berechnungen als Integrale über alle möglichen vierdimensionalen Geometrien ausführen lassen. Denn ohne die Wick-Rotation versagt die Pfadintegral-Methode in der Quantenkosmologie, weil die Ergebnisse falsch, sinnlos oder zumindest nicht eindeutig werden.
    Die Einführung der imaginären Zeit, die Hawking auch in seinem Bestseller Eine kurze Geschichte der Zeit erwähnt hatte, und die bei den Lesern wohl die größten Verständnisschwierigkeiten oder Missverständnisse auslöste, ist also notwendig, um die Pfadintegral-Methode anzuwenden. Diese funktioniert nämlich nur, wie Hawking betont, „wenn man Geschichten wählt, die in der imaginären Zeit stattfinden und nicht in der realen Zeit, in der wir uns selbst wahrnehmen. Imaginäre Zeit mag sich ein wenig nach Science Fiction anhören, aber sie ist ein genau definierter mathematischer Terminus. Man kann sie sich in gewisser Weise als eine Zeitrichtung vorstellen, die rechtwinklig zur realen Zeit verläuft. Die Wahrscheinlichkeiten aller Teilchengeschichten mit bestimmten Eigenschaften, etwa dass sie zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Örter passieren, werden aufsummiert. Das Ergebnis muss dann auf die reale Raumzeit, in der wir leben, rückextrapoliert werden. Dies ist nicht gerade ein vertrautes Verfahren in der Quantentheorie, führt aber zu den gleichen Ergebnissen wie andere Methoden.“
    Die imaginäre Zeit ist also weniger geheimnisvoll und extravagant, als es zunächst den Anschein hat. Sie ist in erster Linie ein mathematisches Hilfsmittel. Doch sie nur als Trick abzutun, greift zu kurz, wie Hawking betont. „Man könnte meinen, imaginäre Zahlen seien lediglich eine mathematische Spielerei, die nichts mit der realen Welt zu tun habe“, schrieb er und räumte ein, dass man „keine imaginäre Zahl von Apfelsinen kaufen oder eine imaginäre Kreditkartenrechnung erhalten“ könne. „Aus positivistischer Sicht lässt sich jedoch nicht bestimmen, was real ist. Wir können lediglich nach den mathematischen Modellen suchen, die das Universum beschreiben, in dem wir leben. Wie sich herausstellt, sagt ein mathematisches Modell, das die imaginäre Zeit einbezieht, nicht nur Effekte voraus, die wir bereits beobachtet haben, sondern auch solche, die wir noch nicht haben messen können, von deren Vorhandensein wir aber aus anderen Gründen überzeugt sind.“
    Durch die Wick-Rotation wird die reale Zeit also gleichsam verräumlicht: Sie ist dann eine imaginäre Zeitkoordinate. Das macht einen entscheidenden Unterschied. Erst dadurch lässt sich die unphysikalische Singularität vermeiden. Darin besteht die eigentliche Erkenntnis: Es gibt singularitätsfreie quantenkosmologische Modelle. Inwiefern sie das Universum angemessen beschreiben, ist eine andere Frage. Aber es ist im Prinzip möglich, die Singularitätstheoreme zu umgehen und mit der Pfadintegral-Methode wissenschaftlich überprüfbare Aussagen zu machen.
    Kosmologen veranschaulichen die Raumzeit des expandierenden Universums gerne mit einer Art Trichter, dessen Erweiterung nach oben die Ausdehnung des Alls symbolisiert. Unten, an der engsten Stelle ist er abgeschnitten. Diese Kante, der Rand, versinnbildlicht die Singularität. (Man kann sich den Trichter auch auf einen Punkt spitz zulaufend denken, dann steht dieser Punkt für

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