Hawks, John Twelve - Dark River
alle ein bisschen verrückt.«
Der Fahrer, ein südafrikanischer Söldner namens Vanderpoul, blieb am Steuer sitzen, während Boone mit Mitchell und dessen Partner Detective Krause aus dem Lieferwagen stieg. Ray Mitchell war ein kleiner, redegewandter Mann mit einer Vorliebe für Designeranzüge. Krause war das genaue Gegenteil: ein großer, ungeschickter Bulle mit gerötetem Gesicht, der scheinbar dauerhaft unter schlechter Laune litt. Boone zahlte beiden Polizisten einen monatlichen Vorschuss sowie gelegentliche Zulagen für besondere Aufgaben.
»Und jetzt?«, fragte Krause. »Wo sind sie nach dem Absprung hin?«
»Einen Moment«, sagte Boone. Der Knopf in seinem Ohr versorgte ihn ständig mit neuesten Informationen von seinen beiden Söldnerteams und dem Computerzentrum der Bruderschaft in Berlin. Die Techniker hatten sich Zugang zum Überwachungsnetz der New Yorker Transportgesellschaft verschafft und setzten nun ihre Scannerprogramme ein, um die Flüchtigen aufzuspüren.
»Sie befinden sich immer noch auf der Gleisebene des U-Bahnhofs«, sagte Boone. »Die Kameras zeichnen gerade auf, wie sie auf die Shuttlezüge zum Grand Central zulaufen.«
»Dann gehen wir jetzt rein?«, fragte Mitchell.
»Noch nicht. Maya weiß, dass wir ihr auf der Spur sind, und das wirkt sich auf ihr Verhalten aus. Zunächst wird sie versuchen, von den Kameras wegzukommen.«
Mitchell lächelte und warf seinem Partner einen flüchtigen Blick zu. »Und genau deswegen werden wir sie erwischen.«
Boone griff auf die Rückbank des Lieferwagens und nahm einen Aluminiumkoffer heraus, in dem ein Peilsender und drei Infrarotbrillen lagen.
»Wir gehen rein. Ich werde das Einsatzteam kontaktieren, das an der Fifth Avenue steht.«
Die drei Männer betraten den Bahnhof und stiegen die breite Marmortreppe hinunter, eine Anleihe an Teile des alten Opernhauses von Paris. Als sie die Haupthalle erreichten, schloss Mitchell zu Boone auf. »Eins muss ich klarstellen«, sagte er. »Wir begleiten Sie durch New York und halten Ihnen den Rücken frei, aber wir werden niemanden ausschalten.«
»Darum habe ich Sie auch nicht gebeten. Kümmern Sie sich einfach um die Behörden.«
»Kein Problem. Ich werde die Bahnpolizei darüber informieren, dass wir hier sind.«
Mitchell zog seine Dienstmarke heraus, klemmte sie sich ans Revers und verschwand in einem der Seitenkorridore. Wie ein riesiger Bodyguard folgte Krause Boone zu einem Informationsstand, auf dessen Dach eine würfelförmige Uhr mit vier Ziffernblättern montiert war. Die Größe der Wartehalle, der Schwung der Fensterbogen, die weißen Marmorböden und Steinwände verstärkten Boones Glauben daran, dass seine Seite diesen geheimen Krieg am Ende gewinnen würde. Jedes Jahr durchquerten Millionen Menschen diese Halle, aber nur die wenigsten von ihnen ahnten, dass das Gebäude selbst die Macht der Bruderschaft auf das Subtilste verkörperte.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hatte William K. Vanderbilt, Eisenbahnmagnat und überzeugter Anhänger der Bruderschaft, den Bau des Grand Central Terminal in Auftrag gegeben. Vanderbilt ordnete an, das Deckengewölbe, fünf Stockwerke über dem weißen Marmorboden der Bahnhofshalle, mit den Tierkreiszeichen zu bemalen. Angeblich entsprach die Anordnung der Sterne der Himmelsposition, die sie zu Christi Lebzeiten über dem Mittelmeer eingenommen hatten. Aber niemand – nicht einmal die ägyptischen Astrologen des ersten Jahrhunderts – hatte eine solche Konstellation jemals beobachtet. Die Tierkreiszeichen unter der Hallendecke waren spiegelverkehrt.
Es amüsierte Boone immer wieder, unterschiedliche Interpretationsansätze der Sternbilder zu lesen. Der beliebtesten Erklärung zufolge hatte der Maler eine Skizze aus einer mittelalterlichen Handschrift kopiert, die die Sterne von der Position eines Betrachters aus zeigt, der außerhalb unseres Sonnensystems steht. Niemand konnte erklären, warum Vanderbilts Architekten in einem so wichtigen Gebäude ein so merkwürdiger Lapsus unterlaufen war.
Die Bruderschaft wusste, dass der Deckenentwurf nichts mit mittelalterlichen Vorstellungen vom Himmel zu tun hatte. Für einen Betrachter, der sich im Innern der hohlen Deckenkonstruktion befand und von dort auf die Reisenden hinuntersah, die zu ihren Zügen eilten, waren die Sternbilder korrekt positioniert. Die meisten Sterne waren funkelnde Glühbirnen in einem hellblauen Himmel, aber zusätzlich gab es ein Dutzend Gucklöcher. In der Vergangenheit
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