Hawks, John Twelve - Dark River
hatten Polizisten und Wachleute der Eisenbahngesellschaft Ferngläser benutzt, um die Bewegungen verdächtiger Personen zu verfolgen. Inzwischen wurde die gesamte Bevölkerung mit Scannern und anderen elektronischen Hilfsmitteln überwacht. Die spiegelverkehrten Sternbilder erinnerten daran, dass nur die Zuschauer hier oben einen unverfälschten Blick auf die Welt werfen konnten. Alle anderen gingen einfach davon aus, dass die Sterne sich am rechten Ort befänden.
Über das Satellitentelefon ging ein Anruf ein, und ein britischer Exsoldat namens Summerfield flüsterte Boone etwas ins Ohr. Das Eingreifteam war zum Ausgang an der Vanderbilt Avenue gekommen und parkte jetzt hinter dem Lieferwagen. Für den Einsatz war eine Mannschaft zusammengestellt worden, die zum Großteil aus denselben Männern bestand, die schon in Arizona dabei gewesen waren. Die Operation in New Harmony hatte die Truppenmoral gestärkt; die unvermeidliche Gewalt hatte Söldner verschiedener Nationalitäten und Abstammungen zusammengeschweißt.
»Und jetzt?«, fragte Summerfield.
»Teilen Sie sich auf, und kommen Sie durch unterschiedliche Eingänge herein.« Boone warf einen Blick auf die Abfahrtstafel. »Wir treffen uns an Gleis dreißig – von dort fährt der Zug nach Stamford ab.«
»Ich dachte, sie wollten runter zu den Shuttlezügen.«
»Maya will lediglich den Traveler beschützen. Sie wird sich so schnell wie möglich verstecken. Was bedeutet, dass sie in einem Tunnel oder einem Servicebereich verschwinden wird.«
»Hat sich das Einsatzziel geändert?«
»Alle außer Gabriel befinden sich ab jetzt in der Kategorie zur sofortigen Eliminierung.«
Summerfield schaltete sein Telefon aus, während Boone einen weiteren Anruf vom Computerzentrum bekam. Maya und die anderen Flüchtigen hatten den Abfahrtsbereich der Shuttlezüge erreicht, drückten sich aber noch auf dem Bahnsteig herum. Letztes Jahr hatte Boone Mayas Vater Thorn in Prag ermordet, und seither fühlte er sich der jungen Frau auf merkwürdige Art persönlich verbunden. Sie war weniger zäh als ihr Vater, vielleicht, weil sie sich gegen ein Leben als Harlequin gewehrt hatte. Einen Fehler hatte Maya bereits begangen – und ihre nächste Entscheidung würde ihr Ende besiegeln.
NEUN
N az hatte Maya und den Rest der Gruppe durch ein Labyrinth aus Treppen und Gängen bis zum Times Square Shuttle geführt. Der Bahnsteig war hell beleuchtet, und der Shuttlezug fuhr auf einem von drei Parallelgleisen. Auf dem grauen Betonfußboden klebten unzählige, schwarz verfärbte Kaugummis, die ein Zufallsmuster ergaben. Etwa hundert Meter entfernt hämmerten ein paar Männer von den karibischen Inseln eine Calypsomelodie auf ihren Blechtonnen.
Bislang hatten sie den Söldnern aus dem Weg gehen können, aber Maya war überzeugt, dass man sie über das U-Bahn-Überwachungssystem beobachtete. Jetzt, da ihre New Yorker Tarnung aufgeflogen war, würde die Tabula alle Hebel in Bewegung setzen, um sie aufzuspüren. So viel war Maya klar. Nach Naz’ Auskunft brauchten sie nichts weiter zu tun, als durch den U-Bahn-Tunnel zu laufen und über eine Treppe ins Untergeschoss des Grand Central Terminal zu steigen. Aber unglücklicherweise lief ein Bahnpolizist auf dem Bahnsteig Streife; und selbst wenn er verschwunden wäre, hätte möglicherweise irgendein Fahrgast die Behörden darüber informiert, dass eine Gruppe von Leuten auf die Gleise gesprungen war.
Der einzige sichere Weg in den Tunnel führte durch eine abgeschlossene Tür mit einer Aufschrift aus angelaufenen Goldbuchstaben: KNICKERBOCKER. Zu geselligeren Zeiten hatte dieser Durchgang vom Bahnsteig direkt in die Bar des alten Knickerbocker Hotels geführt. Obwohl man es längst zu einem Apartmenthaus umfunktioniert hatte, war die Tür übrig geblieben – übersehen von den Zigtausenden von Pendlern, die täglich daran vorbeiliefen.
Während Maya auf dem Bahnsteig stand und die Berufstätigen sich beeilten, den Zug zu erwischen, fühlte sie sich viel zu auffällig. Als der Zug ratternd den U-Bahnhof verließ, kam Hollis auf sie zu und sprach sie leise an.
»Willst du immer noch mit dem Zug nach Ten Mile River fahren?«
»Wir werden die Lage neu einschätzen, sobald wir am Bahnsteig sind. Naz sagt, dort gebe es keine Kameras.«
Hollis nickte. »Die Scanner der Tabula haben uns wahrscheinlich entdeckt, als wir das Loft verlassen haben und durch Chinatown gelaufen sind. Dann hat irgendwer vermutet, dass wir in den stillgelegten
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