Hawks, John Twelve - Dark River
Mitte des Wartungsraums und analysierte ihre Wahlmöglichkeiten mit der Klarsicht des Harlequins. Die Söldner waren in Eile und rechneten vermutlich nicht mit einem Gegenangriff. Bislang hatte sie versagt, was Gabriels Schutz anging –, aber es gab eine Möglichkeit, ihre Fehler wiedergutzumachen. Die Taten der Harlequins brachten ihnen Verdammnis, aber ihre Opfer brachten die Erlösung.
Maya streifte die Kuriertasche ab und warf sie auf den Boden. Sie benutzte die Messinstrumente und Ventile als Haltegriffe, erklomm das untere Dampfrohr und zog sich von dort auf das darüber gelegene Rohr. Nun befand sie sich fast fünf Meter über dem Boden und direkt gegenüber der Eingangstür. Die Luft war warm, und das Atmen fiel ihr schwer. Aus dem Tunnel drangen leise Geräusche. Maya zog den Revolver aus dem Halfter und wartete. Ihre Beine zitterten vor Anstrengung. Ihr Gesicht war schweißnass.
Die Tür flog auf, und ein großer Mann mit Bart kauerte sich in den Türrahmen. Der Söldner hielt ein Gewehr im Anschlag, unter dessen Lauf ein Ziellaser hing. Er ließ den Blick flüchtig durch den Raum wandern und ging dann ein paar Schritte vorwärts. Maya eröffnete das Feuer. Eine Kugel traf den Söldner am Halsansatz, und er brach zusammen.
Maya fiel auf den Boden, rollte sich vorwärts ab und sprang auf die Füße. Sie sah, dass der Tote in der Tür lag und sie deshalb offen stand. Das rote Licht der Ziellaser blitzte aus dem dunklen Tunnel, und Maya sprintete in Deckung. Ein Projektil prallte von der Wand ab und schlug in eins der Instrumente ein. Dampf schoss in die Luft. Maya duckte sich und suchte nach einem Versteck, als Alices Hand unter dem Dampfrohr hervorkam.
Eine weitere Kugel traf die Wand, und Maya legte sich flach auf den Betonboden und rutschte seitlich unter das Rohr. Sie lag dicht hinter Alice, die dem Harlequin direkt ins Gesicht sah. Das Mädchen wirkte weder verängstigt noch wütend, sondern vielmehr wie ein Tier im Zoo, das einen neuen Käfiggenossen mustert. Die Schüsse verhallten, die Laserstrahlen verschwanden. Stille. Maya hielt den Revolver mit beiden Händen fest, die rechte Hand umschloss die linke. Sie machte sich bereit hinauszurollen, aufzuspringen, die Arme auszustrecken und zu schießen.
»Maya?« Aus der Dunkelheit des Tunnels ertönte eine Männerstimme. Eine amerikanische Stimme. Ruhig und unerschrocken. »Hier spricht Nathan Boone. Ich bin der Sicherheitschef der Evergreen Foundation.«
Maya wusste, wer Boone war – ein Söldner der Tabula, der in Prag ihren Vater ermordet hatte. Sie fragte sich, warum er mit ihr sprach. Vielleicht versuchte er, sie zu provozieren, damit sie einen Angriff riskierte.
»Ich weiß, dass Sie da sind«, sagte Boone. »Sie haben eben einen meiner besten Mitarbeiter erschossen.«
Eine Regel der Harlequins schrieb vor, dass man nie mit dem Feind sprach, es sei denn, man gewann dadurch einen Vorteil. Maya beschloss zu schweigen, aber dann fiel ihr Gabriel wieder ein: Wenn sie Boone ablenken konnte, bliebe dem Traveler mehr Zeit zu entkommen.
»Was wollen Sie?«, fragte sie.
»Erlauben Sie Gabriel, den Raum zu verlassen. Andernfalls wird er getötet. Ich verspreche, Gabriel, Vicki und Ihrem Führer nichts anzutun.«
Maya fragte sich, ob Boone von Alice wusste. Er würde auch das Kind töten, wenn er erfuhr, dass es das Massaker in New Harmony überlebt hatte. »Was ist mit Hollis?«, fragte sie.
»Sie beide haben sich entschieden, gegen die Bruderschaft zu kämpfen. Nun müssen Sie die Konsequenzen tragen.«
»Warum sollte ich Ihnen vertrauen? Sie haben meinen Vater umgebracht.«
»Es war seine Entscheidung.« Boone klang verärgert. »Ich habe ihm eine Alternative angeboten, aber er war zu stur, sich darauf einzulassen.«
»Wir müssen uns absprechen. Geben Sie uns ein paar Minuten Zeit.«
»Sie haben keine Zeit. Es gibt keine Alternative und keine Verhandlungen. Wenn Sie ein echter Harlequin sind, werden Sie den Traveler retten wollen. Schicken Sie die anderen heraus, andernfalls wird jeder im Raum sterben. Wir sind Ihnen ausrüstungstechnisch überlegen.«
Wovon redet er?, fragte Maya sich. Was meinte er mit »ausrüstungstechnisch«? Alice Chen starrte ihr immer noch ins Gesicht. Die Kleine legte eine Hand an das warme Dampfrohr über ihren Köpfen und fuhr mit ihr darüber. Sie wollte ihr irgendeinen Hinweis geben. »Was willst du mir sagen?«, flüsterte Maya.
»Haben Sie sich entschieden?«, rief Boone.
Schweigen.
Ein Projektil traf
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