Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
einzige Haken daran war, dass ich dazu in die Agentur selbst musste.
Ich rief Evelyn an.
»Hat die Agentur noch immer ein Sicherheitssystem?«, fragte ich.
»Ja, warum fragst du?«
»Ich muss rein. Kennst du das Passwort? Und hast du einen Schlüssel?«
»Ja und ja«, antwortete sie. »Warum musst du rein, und was hoffst du zu finden?«
»Ich brauche Zugang zum Betriebssystem. Ich weiß nicht, welche Rolle die Agentur bei der Katastrophe gespielt haben könnte, und ich würde sie nur ungern verkaufen, ohne wenigstens Aufzeichnungen zu haben, auf die ich mich später beziehen kann.«
»Was für Aufzeichnungen?«, fragte sie.
»Alles. Ich brauche Zugang zu sämtlichen Firmendaten. Aktuelle und archivierte.«
»Ich weiß nicht, wie das geht, und ich kann niemanden fragen, ohne Verdacht zu erregen«, sagte sie.
»Das sollst du auch nicht. Ich muss einfach an einen der PC s. Am besten an den von Bruce Finger. Benutzt er Florencias Büro?«
»Weiß ich nicht. An den Büros sind Namensschilder. Wann willst du rein?«
»Heute Nacht. Gegen zwei Uhr morgens. Fahr rüber und leg einen Schlüssel unter die Matte, ehe du schlafen gehst.«
»Du bist verrückt.«
»Ich brauche nur ein paar Stunden.«
»Woher willst du ohne mathematische Kenntnisse wissen, was du brauchst?«
»Mein Smartphone hat einen Taschenrechner. Mehr benötige ich nicht. Wie lautet der Sicherheitscode?«
Nachdem ich aufgelegt hatte, setzte ich mich an den Computer und tippte »boot disk« in die Suchmaske. Ich konnte mich nicht deutlich an das Prozedere erinnern, aber diese beiden Wörter reichten, um anzufangen. Ursprünglich geschaffen, um Technikern bei der Rettung korrupter Dateien zu helfen oder Daten aus beschädigten Geräten zu bergen, übernahm die Boot Disk den Platz des installierten »boot up«-Programms, indem sie ihr eigenes kleines Betriebssystem und einen Nutzerzugang aufspielte. Im Kern erlaubte dies dem Techniker, das System zu kapern, weil er auf diese Weise alle denkbaren Sicherheitsmaßnahmen umging. Man konnte alles Mögliche mit dem Computer anstellen, doch sobald man ihn herunterfuhr und die Boot Disk entnahm, war es, als wäre nichts passiert.
Wie bei jeder Anwendung, die zu redlichen und unredlichen Zwecken eingesetzt werden konnte, gab es offiziell zugelassene und illegale Versionen. Die illegalen waren natürlich die besten.
Es war jedoch nichts, was ich aus der Ferne erledigen konnte, ich brauchte direkten, körperlichen Zugang zu einem Computer.
Es dauerte den restlichen Vormittag, aber ich fand ein Programm namens Matt BD , das zu Hardware und System der Agentur passte, deren präzise Beschreibung ich in meinem Archiv vergraben hatte. Ich lud das Programm herunter, was nur wenige Minuten dauerte, und brannte es auf CD .
Der einfache Teil war erledigt. Für den Rest musste ich warten, bis es dunkel wurde.
Florencias Agentur befand sich in einem der vielen gesichtslosen kleinen Bürogebäude, die eine der beiden Hauptverkehrsstraßen säumten, die von Norden durch Stamford führte. Ich parkte mehrere Türen weiter und nutzte eine Reihe verbundener Parkplätze, um mich von der Rückseite zu nähern. Ich trug einen falschen Bart und eine Mütze über einer der Langhaarperücken. Falls mich eine der Überwachungskameras erwischte, filmte sie den Prototyp eines Manns in Verkleidung.
Obwohl ich nicht wusste, welche zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen zum ursprünglichen System das neue Management installiert hatte, hielt ich es für unwahrscheinlich, dass etwas geändert worden war. Versicherungsagenturen gehörten nicht zu der Art Firmen, in die eingebrochen wurde. Zwar flossen Millionen Dollar durch die Computer, aber das herumliegende Bargeld reichte kaum für eine Pizzabestellung.
Der Eingang zum Gebäude, bequemerweise an der von der Straße abgewandten Seite, war dunkel. Ich bückte mich, hob die große Matte an, die immer noch in Benutzung war, und nahm zwei Schlüssel an mich. Einer für das Gebäude, der andere für die Agentur. Ohne Zögern ging ich durch beide Türen, bepackt mit Laptop und einigen anderen nützlichen Ausrüstungsgegenständen.
Die Heizung war automatisch auf Nachtbetrieb heruntergefahren. Deshalb war die Luft kühl und roch nach Teppichboden und Büroalltag. Geleitet von unpräzisen Erinnerungen und einer Stiftlampe, tastete ich mich einen Flur hinunter, bis ich Florencias Büro erreichte. Die Halterung, in der früher ihr Namenschild gesteckt hatte, war leer. Ich ging zur
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