Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
Bestie.
Als mein Herz der Umklammerung der Gefühle entglitt, traten Logik und Vernunft an ihre Stelle. Der erste logische Schluss war, dass ich nicht in dieser Welt leben konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte. Nicht, so lange ich sie mit dem Mann im Trenchcoat teilte. Dem Mann, der wahrscheinlich die Antwort auf die einzige Frage kannte, die es in dieser öden Realität, in der ich mich wiederfand, wert war, gestellt zu werden.
Warum?
Bis sie beantwortet war, mussten alle weiteren Überlegungen warten. Nachdem ich diesen Beschluss gefasst hatte, begann ich die notwenige Methodik zu entwickeln, indem ich Falls-dann-Szenarien durchspielte. Abgesehen von zwei Stunden unruhigen Schlafs arbeitete ich daran, bis Evelyn am nächsten Tag vorbeikam.
»Ich möchte tot sein«, sagte ich, als sie das Zimmer betrat.
»Ich weiß, Arthur«, antwortete sie, setzte sich auf die Bettkante und legte die Hand auf meinen Arm. »Ich verstehe das.«
»Nein, tust du nicht. Ich möchte für tot erklärt werden. Für andere tot sein. Du musst nur den Totenschein unterschreiben«, sagte ich. »Um alles Weitere kümmere ich mich selbst.«
»Kümmern um was? Du kannst nicht laufen.«
»Ich kann nicht sehr gut laufen. Noch nicht. Du sagst doch immer, mein Bein wird fast vollständig heilen.«
Am Tag zuvor hatte ich meinen ersten wackligen Gang zum Bad und zurück hinter mich gebracht, mit jeder Menge Unterstützung von Evelyn und der Pflegerin. Dank der Wunde in meinem Oberschenkel war meine linke Hälfte wesentlich schwächer als die rechte. Wie es in Zukunft um meine Beweglichkeit bestellt sein würde, stand noch nicht fest, doch instinktiv war ich überzeugt, dass ich vollkommen genesen würde. Auch meine Sehfähigkeit kehrte allmählich zurück, obwohl alles ein wenig fremd wirkte, als wäre ich in einem parallelen, doch leicht veränderten Universum erwacht.
Mein Bauch war verschwunden. Die lockere Haut hing um meine Hüften, doch ich war vierzig Pfund weniger Mann als zuvor.
»Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst«, sagte Evelyn.
»Ich will eine psychiatrische Untersuchung«, sagte ich.
»Glaubst du, deine geistigen Fähigkeiten könnten gelitten haben?«
»Das will ich herausfinden. Ich will wissen, welche beeinträchtigt sind und welche nicht. Ich klinge zum Beispiel nicht wie ich selbst. Hat sich meine Stimme verändert, ist mein Gehör beschädigt, oder interpretiert mein Gehirn das, was es hört, anders?«
»Okay«, sagte sie. »Das kann ich arrangieren. Was deine Stimme betrifft, du nuschelst etwas, aber das wird sich meiner Meinung nach mit der Zeit legen. Die Kugel hat den somatosensiblen Kortex gestreift, deshalb könnte es sein, dass sich deine Sinneswahrnehmung insgesamt leicht geändert hat, was auch die andere Stimme erklären könnte.«
»Meine Augen funktionieren auch nicht richtig«, sagte ich. »Alles sieht anders aus.«
»Das bleibt vermutlich so. Aber du wirst dich daran gewöhnen, es sei denn, die räumliche Verzerrung ist größer, als wir bisher angenommen haben.«
Während unseres Gesprächs hatte ich versucht, sie direkt anzusehen, aber die Verzerrung am Rand meines Sichtfelds wurde unerträglich. Ich schaute zur Decke hoch.
»Ich muss darüber Bescheid wissen. Und ich brauche eine vollständige Aufstellung meiner Finanzen.«
»Die sehen gut aus«, sagte sie. »Damien Brandt, Florencias Finanzbuchhalter, führt das Alltagsgeschäft in der Agentur. Er berichtet an Bruce Finger, einen Freund von mir, der nach zwanzig Jahren als Justiziar eines großen Versicherungsträgers in Ruhestand gegangen ist. Bruce hat mir gesagt, dass die potenziellen Käufer bereits Schlange stehen, aber er will nicht mal darüber reden, wenn ich kein Interesse habe. Habe ich?«
»Klar, nur nicht jetzt. Aber eine Bewertung wäre nützlich. Könntest du mir außerdem bei Gelegenheit eine Aufstellung meines Besitzes machen, besonders der Bargeldbestände? Ich würde es selbst tun, aber ich kann nicht lesen.«
»Ich kann dir nicht mehr folgen, Arthur. Fang noch mal von vorn an und verrate mir, was du vorhast.«
Sätze wie diese sagte sie zu mir, seit wir Kinder waren. Evelyn war acht Jahre älter als ich und eindeutig intelligenter. Doch sie dachte eher linear, methodisch. Sie konzentrierte sich gern auf einzelne Fächer, wie ihr Spezialgebiet, die Kardiologie, während ich ein Allesfresser war, der wie ein Wasserläufer über die Oberfläche jedes Gegenstands sauste, der mir ins Auge fiel.
»Ich muss
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