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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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den Boden. Plötzlich war es wieder still, nur noch eine Patronenhülse war
zu hören, die über das Parkett rollte. Ich legte den Kopf zur Seite und sah
ihn an. Er starrte zurück, die Pupillen vom Schock ganz schwarz.
    »So
schaffst du die Gesundheitsprüfung bei Pathfinder nicht, Greve. Sorry. Du wirst
diese Technologie nicht stehlen, wie gründlich du auch vorgehst. Im Grunde war
es gerade diese Gründlichkeit, die dir ein Bein gestellt hat.«
    Greve
stöhnte kaum hörbar auf Holländisch.
    »Denn
deine Gründlichkeit hat dich hierher gelockt«, sagte ich. »Zu dem letzten
Gespräch. Weißt du was? Du bist genau der Mann, den ich für diesen Job gesucht
habe. Ein Job, der dir auf den Leib geschneidert ist, und das vermute ich nicht
bloß, das weiß ich. Dies hier ist wirklich der perfekte Job für dich. Glaub
mir, Herr Greve.«
    Greve
antwortete nicht, sondern starrte an sich herab. Das Blut hatte den schwarzen
Pullover noch schwärzer gefärbt. Dann fuhr ich fort:
    »Du
bist hiermit als Sündenbock eingestellt worden, Herr Greve. Als derjenige, der
Ove Kjikerud umgebracht hat.« Ich klopfte Ove auf den Bauch.
    Greve
stöhnte und hob den Kopf. »Was redest du da für einen Unsinn?« Seine Stimme
klang verzweifelt, aber auch schon benommen und schläfrig. »Ruf einen
Krankenwagen, bevor du noch einmal zum Mörder wirst, Brown. Denk doch nach, du
bist ein Amateur, du wirst damit niemals durchkommen. Ruf an, dann verschon
ich dich auch.«
    Ich
blickte auf Ove hinab. Er sah so friedlich aus, wie er neben mir auf dem Bett
lag. »Aber ich habe dich doch gar nicht getötet, Greve. Das war Kjikerud,
kapierst du das denn nicht?«
    »Nein.
Mein Gott, jetzt ruf endlich einen Krankenwagen. Siehst du denn nicht, dass ich
verblute?«
    »Tut
mir leid, es ist zu spät!«
    »Zu
spät? Willst du mich etwa sterben lassen?«
    Jetzt
hörte man einen anderen Unterton in seiner Stimme. Konnten das Tränen sein?
    »Bitte,
Brown! Nicht hier, nicht so! Ich flehe dich an, ich bitte dich.«
    Tatsächlich,
es waren Tränen. Sie rannen ihm über die Wangen. Vielleicht nicht sonderlich
erstaunlich, wenn es stimmte, was er mir über Bauchschüsse gesagt hatte. Ich
sah das Blut von der Innenseite seiner Hose auf die blankgeputzten
Prada-Schuhe tropfen. Er hatte mich angefleht. Er hatte es nicht geschafft,
sich im Augenblick des Todes seine Würde zu bewahren, nicht einmal er, Greve.
Angeblich schafft es niemand, höchstens apathische Opfer oder solche, die
unter Schock stehen. Das Erniedrigendste für Greve war dabei natürlich, dass es
so viele Zeugen für seinen Zusammenbruch gab, und dass es noch mehr werden
würden.
    Fünfzehn
Sekunden nachdem ich Ove Kjikeruds Tür aufgeschlossen und sein Haus betreten
hatte, ohne »Natascha« in die Alarmanlage zu tippen, hatten die Überwachungskameras
ihre Arbeit begonnen. Gleichzeitig war bei Tripolis der Alarm eingegangen. Ich
stellte mir vor, wie sie vor den Monitoren hockten und ungläubig auf den
Stummfilm starrten: Greve, der einzige sichtbare Schauspieler, hatte den Mund
geöffnet, ohne dass sie seine Worte hören konnten. Sie haben ihn schießen
sehen, haben gesehen, dass er getroffen wird, und Ove dafür verflucht, keine
Kamera montiert zu haben, die auch die Person zeigte, die auf dem Bett saß. Ich
blickte auf die Uhr. Es waren jetzt vier Minuten vergangen, seit der Alarm
ausgelöst worden war, und vermutlich drei, seit sie die Polizei gerufen hatten.
Die wiederum hatte das Einsatzkommando alarmiert, das für bewaffnete Einsätze
ausgebildet war. Es dauerte immer etwas, bis sie diese Leute zusammenhatten.
Außerdem lag Tonsenhagen ein wenig abseits des Zentrums. Das alles waren
natürlich Vermutungen, aber die ersten Polizeiwagen würden sicher erst in einer
knappen Viertelstunde ankommen. Auf der anderen Seite gab es keinen Grund zu
zögern. Greve hatte zwei der insgesamt siebzehn Patronen seines Magazins
abgefeuert.
    »Gib
auf, Clas«, sagte ich. »Ich gebe dir eine letzte Chance. Nimm die Pistole. Wenn
du es schaffst, mich zu erschießen, schaffst du es bestimmt auch, den
Rettungswagen zu rufen.«
    Er
starrte mich mit leerem Blick an. Ein eiskalter Wind fegte in den Raum. Der
Winter hatte jetzt definitiv begonnen.
    »Komm
schon«, sagte ich. »Du hast doch nichts zu verlieren.«
    Es
schien, als dränge die Logik nun doch in sein geschocktes Hirn vor. Mit
raschen Bewegungen, viel schneller, als ich es bei seinen Verletzungen für
möglich gehalten hätte, warf er sich seitlich zu Boden und

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