Headhunter
weiß.
»Den
hast du nie mehr zu Gesicht bekommen, oder? Er hat seine Tage vermutlich als
Krähenfutter beendet. Aufgespießt auf dem Siloschneider von Aas Traktor.«
»Mir
wird gleich übel, Roger Brown. Du sitzt da und moralisierst und bist dabei
selbst ein Tierquäler und Kindermörder.«
»Das
mag stimmen, nicht aber das, was du mir im Krankenhaus gesagt hast. Unser Kind
litt gar nicht am Down-Syndrom. Es war absolut gesund, das haben alle Tests
bestätigt. Ich habe Diana zu der Abtreibung überredet, weil ich sie ganz
einfach mit niemandem teilen wollte. Hast du schon einmal so etwas Kindisches
gehört? Reine Eifersucht auf ein ungeborenes Kind. Vermutlich habe ich als
Kind nicht genug Liebe bekommen, oder was meinst du? Aber vielleicht war das
bei dir nicht anders, Clas? Du warst doch wohl auch nicht von Geburt an böse?«
Ich
glaube nicht, dass Clas Greve die Frage gehört hatte, denn er starrte mich mit
dem entgeisterten Gesichtsausdruck an, der mir zeigte, dass sein Hirn jetzt
wieder auf Hochtouren arbeitete. Er rekonstruierte, verfolgte die logischen
Schlussfolgerungen zurück zu ihrem Ausgangspunkt, zur Wahrheit, zu dem Punkt,
an dem alles begann. Und fand ihn. Ein einfacher Satz im Krankenhaus, den er
selbst gesagt hatte: »... weil der Junge das Down-Syndrom hat.«
»Also
jetzt sag schon«, begann ich, als ich sah, dass er verstanden hatte, »hast du
jemals jemand anderen als deinen Hund geliebt?«
Er
hob die Pistole. Von dem kurzen Leben des neuen Roger Brown waren nur noch
Sekunden übrig. Greves eisblaue Augen funkelten, und seine weiche Stimme war
jetzt nur noch ein Flüstern:
»Eigentlich
wollte ich dir einen einfachen Kopfschuss verpassen. Aus Respekt, weil du
nämlich eine würdige Beute warst, Roger. Ich denke aber, ich sollte lieber
meinem ursprünglichen Plan folgen und dir in den Bauch schießen. Habe ich mit
dir schon über Bauchschüsse gesprochen? Wie es ist, wenn die Kugel die Milz
durchbohrt, wenn die Magensäure austritt und die restlichen Organe verätzt? Mit
dem finalen Schuss warte ich dann, bis du mich anflehst, dich zu töten. Denn
das wirst du, Roger.«
»Vielleicht
solltest du das Geschwätz lassen und endlich schießen, Clas. Du solltest nicht
wieder so lange warten wie im Krankenhaus.«
Greve
lachte erneut. »Oh nein, ich glaube nicht, dass du die Polizei gerufen hast,
Roger. Du hast eine Frau getötet. Du bist ein Mörder wie ich. Das hier ist eine
Sache zwischen uns beiden.«
»Denk
nach, Clas. Warum bin ich wohl das Risiko eingegangen, ins Rechtsmedizinische
Institut zu fahren und mir die Herausgabe der Tüte mit den Haaren zu ergaunern?«
Greve
zuckte mit den Schultern. »Ganz einfach. Das sind biologische Spuren. Ein
DNA-Beweis. Vermutlich der einzige, den sie gegen dich verwenden könnten. Sie
halten den Gesuchten ja für Ove Kjikerud. Außer natürlich, du willst deine
schicken Haare wiederhaben. Vielleicht willst du dir davon ja eine Perücke
machen lassen? Diana hat mir erzählt, dass deine Haare dir sehr wichtig waren.
Dass du damit deine fehlende Größe kompensiert hast. Oder sollen wir lieber
von körperlichem Kleinsein sprechen?«
»Richtig«,
sagte ich. »Und falsch. Es kommt schon mal vor, dass ein Headhunter vergisst,
dass der Kopf, den er jagt, selber zu denken in der Lage ist. Ich weiß nicht,
ob mein Kopf ohne Haare besser denkt, aber in diesem Fall ist es ihm gelungen,
seinen Jäger in die Falle zu locken.«
Greve
blinzelte langsam, und sein Körper spannte sich an. Ein ungutes Gefühl überkam
ihn.
»Ich
kann keine Falle erkennen, Roger.«
»Die
ist hier«, sagte ich und zog die Decke neben mir weg. Sein Blick fiel auf Ove
Kjikeruds Leiche und auf die Uzi, die auf ihrer Brust lag.
Er
reagierte blitzschnell und richtete seine Waffe auf mich. »Wag es nicht, Brown.«
Ich
führte meine Hände zur Maschinenpistole.
»Nicht!«,
schrie Greve.
Ich
hob die Waffe.
Greve
drückte ab. Der Knall ließ den Raum erzittern.
Ich
richtete den Lauf auf Greve. Der hatte sich auf seinem Stuhl aufgerichtet und
drückte ein weiteres Mal ab. Dann schoss ich. Drückte den Abzug ganz durch. Das
heisere Brüllen des Bleis zerriss die Luft, Oves Wände, den Stuhl, Clas Greves
schwarze Hose, seine perfekte Oberschenkelmuskulatur, seinen Schritt und
hoffentlich auch den Schwanz, mit dem er in Diana eingedrungen war, die
kräftigen Bauchmuskeln und die darunter liegenden Organe.
Er
fiel zurück auf den Stuhl, die Pistole rutschte ihm aus der Hand und knallte
auf
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