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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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ergriff die Pistole.
Die Kugeln aus der Maschinenpistole, rabumm!, das weiche, schwere, giftige
Metall schlug Splitter aus dem Parkett zwischen seinen Beinen. Doch bevor die
Kugelspritze ihn erreichte, über seine Brust fegte, durch sein Herz ging und
beide Lungen punktierte, so dass sie sich zischend entleerten, gelang es ihm,
noch einen Schuss abzufeuern. Einen einzelnen Schuss. Der Knall hing noch
zwischen den Wänden. Dann wurde es still. Totenstill. Nur der Wind flüsterte
leise. Der Stummfilm war zu einem Standbild geworden, eingefroren in den
Minusgraden, die durch das Fenster in den Raum strömten. Es war vollendet.
     
    TEIL V
     
    Einen Monat später
    Letztes Gespräch
     
    Kapitel
23
     
    Abendredaktion
     
    Die
Erkennungsmelodie des Nachrichtenjournals »Abendredaktion« war ein einfaches
Gitarrenriff, bei dem der Zuschauer eher an Bossanova, wiegende Hüften und
farbenfrohe Drinks dachte als an knallharte Fakten, Politik und
gesellschaftliche Probleme. Oder wie an diesem Abend: an Kriminalität. Die
Kürze der Erkennungsmelodie brachte dabei zum Ausdruck, dass die
»Abendredaktion« ein Programm ohne Schnickschnack war, bei dem es um die
sachliche Vermittlung von Fakten ging.
    Vermutlich
begann die Sendung deshalb auch mit einer Einstellung, die das Studio 3 senkrecht von oben zeigte, bevor die Kamera in einem Bogen
nach unten schwenkte und diese Bewegung mit dem eingezoomten Porträt des
Programmleiters Odd G. Dybwad endete. Wie gewöhnlich sah er in diesem Moment
von seinen Papieren auf und nahm die Lesebrille ab. Vielleicht war das eine
Idee des Produzenten, weil sie oder er der Meinung war, man könne bei den
Zuschauern so den Eindruck erwecken, die Nachrichten seien noch so neu, dass
G. Dybwad sie gerade erst zum ersten Mal überflogen hatte.
    Odd
G. Dybwad hatte dichtes, kurzes, an den Schläfen leicht ergrautes Haar und das
Gesicht eines ewig 40 -Jährigen:
Er hatte wie 40 ausgesehen, als er 30 wurde, und sah jetzt, da er 50 war, noch immer wie 40 aus.
    Odd
G. Dybwad hatte ein Diplom in Soziologie, war ein analytischer Denker, wusste
sich intelligent auszudrücken und war in seiner ganzen Art
öffentlichkeitswirksam. Aber das war vermutlich nicht der entscheidende Grund
gewesen, warum man ihm eine eigene Sendung gegeben hatte. Vielmehr zählte
seine jahrzehntelange Tätigkeit als Nachrichtensprecher, ging es bei seiner
Arbeit doch in erster Linie darum, fertig geschriebene Texte mit der richtigen
Betonung und dem richtigen Gesichtsausdruck vorzutragen und dabei den richtigen
Anzug und Schlips zu tragen. In G. Dybwads Fall waren Intonation,
Gesichtsausdruck und Schlips so richtig, dass sie ihm mehr Glaubwürdigkeit
verliehen als jedem anderen lebenden Bewohner Norwegens. Und Glaubwürdigkeit
brauchte es für ein Programm wie die »Abendredaktion«. Dabei schien es Odd G.
Dybwads unangreifbare Position nur zu stärken, dass er bereits mehrfach
eingeräumt hatte, die Einschaltquoten seien ihm wichtig und deshalb setze er
sich immer wieder für die kommerziellsten Themen ein. Odd G. Dybwad wollte
Inhalte und Aspekte, die die Leute berührten und Gefühle weckten, nicht Zweifel
oder Ambivalenz, die die Menschen zum Nachdenken zwangen. So etwas war seiner
Meinung nach eher für die Printmedien geeignet. Sein Credo lautete: Warum
sollen wir die Debatten über die Königsfamilie, über homosexuelle
Adoptiveltern oder Sozialmissbrauch unseriösen Akteuren überlassen, wenn wir
sie bei uns in der »Abendredaktion« führen können?
    Die
»Abendredaktion« war ein uneingeschränkter Erfolg und Odd G. Dybwad ein Star.
Ein so großer Star, dass er gleich nach einer ziemlich nervenaufreibenden und
ziemlich öffentlichen Scheidung eine jüngere, beinahe ebenso berühmte Kollegin
vom Sender hatte heiraten können.
    »Wir
werden hier heute Abend zwei Themen diskutieren«, sagte er, und seine Stimme
bebte bereits vor unterdrücktem Engagement, während er in die Kamera starrte.
»In unserem ersten Beitrag geht es um einen der dramatischsten Mordfälle in der
Geschichte Norwegens. Nach einem Monat intensivster Ermittlungen glaubt die
Polizei nun endlich alle Aspekte des sogenannten Greve-Falls zusammengetragen
zu haben. Es hat bei diesem Fall insgesamt acht Todesopfer gegeben: Ein Mann
wurde auf seinem Hof in der Nähe von Elverum erdrosselt. Vier Polizisten kamen
bei einem vorsätzlich herbeigeführten Zusammenstoß mit einem gestohlenen
Lastzug ums Leben. Eine Frau wurde in ihrem Haus in Oslo erschossen, bevor

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