Heart beats sex
entweder deine Regeln und Lebensmodelle respektiere oder mich auf meinen eigenen Weg mache.« Ich war ganz froh, dass mir diese Formulierung wieder eingefallen war, die ich für mich alleine schon ein paarmal geübt und verbessert hatte.
Justin grinste mich hinter Papis Rücken schief an, machte mir ein höhnisches Siegeszeichen und verschwand.
Papi brauchte eine Weile, bis er meinen letzten Satz verdaut hatte. Er konnte so schnell keine eigenen Worte finden und benutzte meine. »Und auf deinem Weg, wie du es nennst, gibt es keine Regeln?«
»Doch, aber andere.« Ich wusste nicht, welche, darüber hatte ich nicht nachgedacht. In meiner Situation wäre es auch das Letzte gewesen, über Regeln nachzudenken. Aber dass es keine Ordnung und gar keine Regeln gäbe, konnte ich wohl auch schlecht zugeben.
»Du musst wissen, was du tust«, sagte er stockfrustriert. Ich musterte ihn einen Moment ganz ruhig. Dabei merkte ich, dass mir sein Frust ziemlich auf die Nerven ging. Was wollte er? Wenn man Kinder hat, muss man damit rechnen, dass sie irgendwann flügge werden, oder?
Ich wusste, wenn er sich erst einmal erholt hätte, würde das eine lange Konferenz werden, und ich hatte das Gefühl, mich zwischen Hal und ihm entscheiden zu müssen. Also entschied ich mich.
Ich nahm den Koffer, deutete auf den anderen, den roten, und sagte: »Ich bin gleich wieder da.«
Er sagte kein Wort, trat mir auch nicht in den Weg, so dass ich mit großen, ausschreitenden Schritten meinen Weg unbehelligt über den Hof machen konnte. Ich öffnete die Klappe an Hals Wagen, hievte meinen Koffer hinein, stieg vorne bei ihm ein und sagte: »Fahr los! Ich hab alles, der andere Koffer ist leer.«
Das Tor öffnete sich, als ich meine Fernbedienung hob, Hal gab Gas, und wir rauschten davon.
Als ich mich dann in Hals Gartenhaus einrichtete, kamen mir immer wieder die Tränen, wenn ich an Anna, Papi und Justin dachte. Ich verstand nicht warum, denn ich hatte mich so oft über die Anstrengungen und die Kontrollen zu Hause beklagt. Um mir Luft zu machen, setzte ich mich an meinen Rechner und schrieb: »Liebe Anna, lieber Papi, lieber Justin …«
Ich wollte ihnen meine Zuneigung und meine Liebe erklären, aber ich war so durcheinander, dass es mir nicht gelang. Ich wollte aber nicht aufgeben, das wäre ein schlechter Neuanfang gewesen, und daher korrigierte ich so lange, bis ich dies zustandebrachte:
»Liebe Anna, lieber Papi, ich möchte euch sagen, dass ich während der Zeit bei euch viel gelernt habe. Ich bedanke mich für sehr viele wichtige Lektionen und Erfahrungen. Ich entschuldige mich auch, dass ich mich nicht an unseren Vertrag halte und die Familie so abrupt verlasse, ohne etwas zurückzugeben für all das, was ich bekommen habe. Ich denke aber, dass es nicht fair ist, euch etwas glauben zu lassen, das nicht der Realität entspricht. Du hast oft genug wiederholt, dass mein Leben in meiner Hand liegt und ich entscheiden kann, was ich möchte, sofern ich es nur offen sage. Jetzt sage ich es: Es
sind nicht die sozialen Ziele, die wir für mich im Sinn hatten, als wir die Regeln aufstellten, sondern für mich ist nur wichtig, geliebt zu werden.«
Ich schloss die Mail mit den Worten: »Dankeschön, dass ihr immer für mich da wart, ich hoffe, ihr werdet es auch in Zukunft sein. – Eure euch liebende Mona«.
31. Kapitel
N ach dieser Mail wünschte ich, dass mich jemand in den Arm nähme. Ich rief Ulya an und verkündigte tapfer: »Ich habe es gebracht! Ich bin weg von zu Hause!«
»Wo bist du denn jetzt?«, fragte sie.
»Bei Hal. Der hat ein Gartenhaus, das hat er mir überlassen. «
Ich dachte, sie würde jubeln, aber sie blieb eine Weile ganz still, so dass ich schon meinte, die connection sei abgebrochen. »Bist du noch dran?«
»Bei Hal wohnt keine im Gartenhaus. Die wohnt entweder bei ihm, oder sie wohnt da gar nicht«, sagte sie.
»Hey, was meinst du? Ich bin hier, ich steh hier vorm Gartenhaus! «
»Du kapierst nicht.«
Was wollte sie? Was hatte sie? Wollte sie mir meine Freiheit vermiesen? Sie hatte mir doch selbst dazu geraten! »Was verstehe ich nicht?«, fragte ich genervt.
»Hal.«
»Was meinst du?«
»Du verstehst Hal nicht.«
Ich dachte an das Gedicht von Paul Celan und wie sehr ich von Anfang an in Hal verliebt gewesen war. Ulya war meine Freundin, sie verstand mich – was war denn jetzt nur in sie gefahren? »Du erinnerst dich an die eine Zeile aus dem Gedicht von Paul Celan, ich habe sie dir ein paarmal gesagt,
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