Heart beats sex
ist vielleicht sowieso gut, dann komm ich nicht so spät nach Hause. Dennoch hatte es mich verunsichert. Später fand ich heraus, dass er die Erinnerungen an seine Kindheit nur ertragen konnte, wenn er sich gleich anschließend mit Musik beruhigte. Es gab nichts anderes, die Wogen zu glätten, als Musik. Aber nicht Musik hören, sondern Musik machen – verändern, sie mischen, sie bearbeiten oder mit den Elementen der alten Musik neue herstellen. Da ich ihn so sehr an seine Jugend, seine Heimat, seine Mutter, seine Großeltern oder was auch immer erinnerte, wurde er sehr produktiv. Vielleicht erinnerte ich ihn nicht daran, wie er meinte, aber unser Beisammensein brachte ihn dorthin.
Heute vermute ich, dass er deswegen, wegen seine rplötzlichen und so von seiner Kindheit getränkten Produktivität an mir hing; es war wie eine Sucht, die ich auslöste, aber in den Tagen mit ihm hatte ich nur so etwas wie ein Mysterium gespürt. Sein Blick verzauberte mich, seine Ausstrahlung, sein Begehren. Es gab auch unsere unmittelbare Vertrautheit.
29. Kapitel
A ls ich auf dem Weg nach Hause war, war ich glücklich. Glücklich bis obenhin. Wie oft passiert einem das im Leben – an nichts denken, sich an nichts erinnern, nur Glück in sich haben? So war es auch noch, als ich auf der Umgehungsstraße in den vorletzten Kreisel fuhr und von vermummten Polizisten mit einem roten Licht herausgewinkt wurde. Es waren zehn oder zwölf Mann, alle vermummt und jeder hatte eine MP im Arm. Ihre Autos hatten sie woanders gepackt. Sie wollten, dass ich ausstieg und ihnen sagte, wo die Papiere seien. In meiner Handtasche oder im Handschuhfach?
Ich beherrschte meine Mimik, aber die Angst rutschte mir in die Stimme. Gelang es mir, Gesicht und Stimme zu kontrollieren, entwich sie in die Finger. Hatte ich die Finger im Griff (ich halte die rechten Finger mit den linken fest), sprühte die Angst mir Gänsehaut über Arme und Beine. Ich stemmte mich gegen sie, aber wenn ich mich zu sehr stemmte, benutzte sie meine Stemmkraft und machte mich ganz steif.
Das müsste ihnen natürlich aufallen, dachte ich, wenn sie sähen, dass ich stumm und steif und starr vor ihnen stand.
»In meiner Handtasche.« Bemerkten sie den Kloß in meinem Hals? Ich wollte ihm die Tasche geben, aber er winkte ab und hielt mein Handgelenk fest.
Ein anderer beugte sich auf der Beifahrerseite in den Wagen und holte die Handtasche heraus. Er öffnete sie, leuchtete mit der Taschenlampe hinein und hielt sie mir so hin, dass
ich die Papiere hätte entnehmen können, wenn sie drin gewesen wären.
Was wir beide sahen, war mein Handy, Lipgloss, eine Make-up-Puderdose, Zigaretten und ein Feuerzeug.
»Oh! Oh mein Gott!«, rief ich entsetzt. »Wo sind die Papiere? Vielleicht habe ich sie ins Handschuhfach getan.«
Er beugte sich wieder in den Wagen, öffnete das Handschuhfach, fand aber nichts. Nun wurden sie aktiv, durchsuchten das ganze Auto, fanden aber nichts, gar nichts. Allerdings auch keine Drogen.
»Ich muss die Papiere zu Hause vergessen haben, als ich zu meiner Freundin fuhr. Sie ist krank, sie rief mich um elf an, damit ich sie zum Arzt bringe. Sie hat Borreliose, sie ist von einer Zecke gebissen worden, hier (ich hob meinen Fuß, ohne auf meinen Rock zu achten). Das ist ziemlich gefährlich, da muss man sofort was machen, und nach dem Biss sollte man nicht Auto fahren, wissen Sie. Wissen Sie das?« Nicht nur sie, auch ich staunte über mein Spanisch.
Inzwischen standen sie alle um mich herum. Sehr nahe. Vielleicht schnuppern sie an mir, dachte ich ängstlich, vielleicht riechen sie, dass ich Sex hatte und nicht auf Krankenbesuch war. Aber vielleicht dachten sie auch alle nur angestrengt nach, so wie beim football, wenn sie sich zusammen hinunterbeugen und die Arme um ihre Schultern legen, bevor sie losstürmen. Sie stürmten leider nicht los, sondern blieben um mich herum, aber dieses Bild gab mir Feuer, es erfüllte mich mit sportlicher Leidenschaft. Ich erhob meine Stimme und erklärte die ganze Geschichte noch einmal, aber diesmal mit sehr viel Temperament und Handbewegungen, wie ich es von der hinreißenden Diana kannte, einer Madrilenin, die mal bei Papi gearbeitet hatte. Wie Diana redete ich nicht nur mit Händen und Füßen, sondern ich wiederholte alles, weil es
beim zweiten Mal viel besser klang und noch viel schwungvoller war. Als ich ein drittes Mal anfangen wollte, kam einer mit einem großen Block, legte ihn auf das Wagendach und wollte von mir meine
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