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Heaven (German Edition)

Heaven (German Edition)

Titel: Heaven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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unzähligen Stuhlreihen an. Es wimmelte bereits von Studenten, die ihre Laptops aus den Rucksäcken zogen und sich unterhielten, während sie auf den Englischprofessor warteten. Xavier schien es nicht eilig zu haben, weiterzukommen.
    «Wie finde ich dich, wenn ich Schluss habe?», fragte ich.
    «Ich bleibe einfach hier, wenn es dir nichts ausmacht. Ich würde gern mal sehen, wie dein Kurs so ist.»
    «Triffst du dich nicht mit deiner Arbeitsgruppe?»
    «Die kommen auch mal ohne mich aus.»
    «Stimmt was nicht?», fragte ich misstrauisch.
    «Nein, ich möchte mich jetzt einfach nur nicht von dir trennen.»
    Ich diskutierte nicht weiter. Ich wusste, was er meinte. Nach meinem letzten Gespräch mit Gabriel und Ivy wollte auch ich am liebsten so viel mit ihm zusammen sein wie möglich. Falls irgendetwas geschah, sollten wir das gemeinsam durchstehen.
    Wir drängten uns an den Studenten vorbei, die in Grüppchen in den Gängen standen, und ließen uns in der letzten Reihe nieder. Wahrscheinlich wirkte das nicht sehr gesellig, aber so vermieden wir jegliche Fragen darüber, was Xavier hier tat. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass uns niemand hier gut genug kannte und er daher gar nicht auffallen würde.
    Ich wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund war ich nervös. Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas in der Luft lag. Und wehte da nicht ein fauliger Geruch durch den Raum? Daher saß ich so aufrecht und angespannt da, dass mir die Lehne unangenehm gegen das Rückgrat drückte. Xavier hingegen, der am Gang saß, hatte bequem die Beine ausgestreckt und übereinandergeschlagen.

    Als Professor Walker endlich eintraf (wie gewöhnlich hatte er seine silbrigen Haare so hochgekämmt, dass er an einen Kakadu erinnerte), trug er keinerlei Aufzeichnungen, sondern lediglich ein vergilbtes Buch unter dem Arm. Er betrachtete uns über seine runde Hornbrille hinweg (die ihm halb auf die Nase gerutscht war), als wäre er des Lebens überdrüssig. Sobald es still wurde, wies er uns an, in unserer Literaturanthologie die Seite mit der Ballade «Ode an eine griechische Säule» von John Keats aufzuschlagen. Neben mir gähnte Xavier hörbar. Die Mädchen vor uns drehten sich kichernd um und verzogen verständnisvoll das Gesicht.
    «Lyrik?», flüsterte er mir zu. «Warum hast du mich nicht vorgewarnt?»
    «Du bist freiwillig hier, schon vergessen?»
    «Ist es zu spät, die Flucht zu ergreifen?»
    «Ja, jetzt musst du hierbleiben. Vielleicht lernst du ja sogar etwas.»
    «Ich hoffe, es geht nicht wirklich um eine Säule», stöhnte er.
    Ich schlug ihm mit dem Stift auf den Arm, damit er schwieg. Er rutschte tiefer in seinen Sitz und bedeckte das Gesicht mit den Händen, als ob er sich selbst unsichtbar machen wollte. Seine Augen sahen mich an, als ob er sich verraten fühlte. Ich lächelte ihm als Antwort zufrieden zu. Auch wenn ihn Professor Walkers Vortrag langweilte, fand ich es schön, ihn in der nächsten Stunde neben mir zu wissen.
    Aber wie sich herausstellte, verlief die Vorlesung an jenem Tag nicht ganz so ereignislos, wie Xavier gedacht hatte.

    Falls wir bisher noch Zweifel gehabt hatten, erfuhren wir spätestens jetzt, dass für die Sieben Reiter das menschliche Leben keinen Wert hatte – denn für ihren Anschlag auf uns suchten sie sich einen Ort aus, wie er öffentlicher kaum sein konnte. Erst im Nachhinein wurde mir klar, wie sehr ihr Handeln gegen das verstieß, als was sie erschaffen waren. Ihre Aufgabe war es, Frieden auf Erden zu bringen, nicht Verwüstung anzurichten. Doch offensichtlich empfanden sie den Verlust einiger Sterblicher nicht als hohen Preis für das Ergreifen eines fehlgeleiteten Engels. Von diesem Tag an hatte ich größte Zweifel daran, dass Unser Schöpfer noch irgendeinen Einfluss auf die Reiter hatte. Was sie taten, erschien mir wie das Werk einer himmlischen Truppe rebellischer Ordnungshüter, die die Geschicke selbst in die Hand genommen hatten.
    Was mich als Erstes in Aufruhr versetzte, war das Poltern über uns, das die anderen für Donner hielten. Nur ich erkannte den Vorboten des Unheils darin, da ich noch gut vor Augen hatte, wie wolkenlos der Himmel vor wenigen Minuten gewesen war. Auf das Gepolter folgte ein kaum wahrnehmbares Summen, das mir irgendwie bekannt vorkam. Es beunruhigte mich so sehr, dass ich es sogar über die laute Stimme des Professors hinweg hörte. Ich klammerte mich an den Gedanken, dass das Geräusch von der defekten Klimaanlage herrührte, bis ich etwas

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