Hebt die Titanic
erschien er ihm seltsam vertraut.
10
Das Telefon auf Sandeckers Nachttisch läutete zehn Minuten nach Mitternacht. Nach dem achten Läuten griff der Admiral mürrisch und schlaftrunken nach dem Hörer und meldete sich. »Verzeihung, Admiral, hier spricht Gene Seagram. Ich hätte Sie nicht so spät noch belästigt, aber es hat sich da etwas ergeben, das äußerst wichtig für uns sein könnte.«
»Was für Sie wichtig ist, muß mich doch nicht interessieren«, sagte Sandecker ärgerlich. »Jedenfalls nicht nach Mitternacht.«
»Es tut mir wirklich leid, Admiral. Aber Sie können mir vielleicht Auskunft über einen Mann namens Dirk Pitt geben.«
»Wie kommen Sie darauf, daß ich ihn kenne?«
»Ich weiß es nicht genau, bin aber ziemlich sicher, daß er irgendwie mit NUMA in Verbindung steht.«
»Ich habe zweitausend Leute unter mir. Wie soll ich mir da jeden Namen merken?« Er räusperte sich umständlich, weil er das Gefühl hatte, Seagram durchschaute sein Hinhaltemanöver. »Was ist denn überhaupt mit diesem Dirk Pitt los?«
Seagram berichtete kurz. Admiral Sandecker war am Ende hellwach.
»Und wenn Sie nun diesen Mr. Pitt ausfindig machen?« fragte er. »Was haben Sie dann vor?«
»Ich dachte an die Möglichkeit einer Zusammenarbeit.«
»Ich verstehe«, sagte der Admiral vieldeutig. »Gute Nacht, Mr. Seagram. Vielleicht finden Sie Ihren Dirk Pitt.«
»Vielen Dank, Admiral. Und gute Nacht.«
Sandecker hängte ab und lachte leise in sich hinein. »Erschießt einen russischen Wachtposten und rettet einen amerikanischen Agenten«, sagte er in nachdenklichem Selbstgespräch. »Dirk Pitt… der Mann ist wirklich eine Klasse für sich.«
11
Die erste United-Airlines-Maschine landete um acht Uhr morgens auf dem Stapleton Airfield von Denver. Mel Donner holte seinen Koffer, mietete sich bei Avis einen Plymouth und machte sich auf den Weg zum Verlagshaus der Rocky Mountain News an der West Colfax Avenue. Auf dem Nebensitz hatte er einen Stadtplan offen hingelegt, und bei jedem Halt an einer Ampel orientierte er sich danach. Da er noch nie in Denver gewesen war, überraschte es ihn, eine Dunstglocke über der Innenstadt hängen zu sehen. Bei Los Angeles oder New York war das selbstverständlich, aber Denver hatte bei ihm immer die Vision einer Stadt erzeugt, die in kristallklarer Luft im Talkessel majestätischer Bergketten hingeschmiegt lag. Sogar das stimmte nicht. Denver lag noch mindestens vierzig Kilometer von den Vorbergen der Rockies entfernt am Rande der großen Ebenen. Er parkte den Leihwagen und fragte sich im Verlagsgebäude zum Archiv durch. Das Mädchen dort lächelte ihm in höflicher Neugier entgegen.
»Haben sie noch ein Exemplar Ihrer Zeitung vom 17. November 1911?« fragte Donner.
»Hier haben wir nur die Mikrofilm-Kopien dieser uralten Jahrgänge«, antwortete das Mädchen. »Die Originalausgaben liegen allerdings noch im Historischen Staatsarchiv.«
»Mich interessiert nur die Seite drei.«
»Wenn Sie warten wollen, kann ich Ihnen in ungefähr fünfzehn Minuten eine Fotokopie des Mikrofilms vom 17. November 1911 machen.«
»Vielen Dank. Haben Sie übrigens zufällig ein Telefon-Branchenverzeichnis von Colorado?«
»Ja, natürlich.« Sie griff unter die Schaltertafel und legte das Telefonbuch vor ihn hin.
Das Mädchen verschwand in der Mikrofilm-Abteilung, und Donner begann im Telefonbuch zu blättern. Weder das Eisenhüttenwerk Guthrie & Söhne in Pueblo noch das Schmiede- und Eisenwerk Thor in Denver standen in dem Verzeichnis. Es war auch fast zuviel erwartet, sagte sich Donner. Nach annähernd achtzig Jahren würden die Firmen wohl kaum noch existieren. Aber er gab die Suche nicht auf, sondern ging systematisch das ganze Alphabet durch. Beim Buchstaben J stutzte er plötzlich. Da stand eine Firma Jensen & Thor als Metallfabrik in Denver verzeichnet. Er schrieb sich Telefonnummer und Adresse auf, als das Mädchen gerade zurückkam. »Das wäre es, Sir«, sagte sie. »Macht fünfzig Cent.« Donner bezahlte und überflog die Schlagzeile über der rechten Spalte der Fotokopie von Seite drei jener uralten Zeitung. Der Bericht handelte von einem Bergwerksunglück.
»Haben Sie das gesucht?« fragte das Mädchen.
»Vielleicht«, antwortete Donner wahrheitsgemäß. »Ich hatte keine Ahnung, wonach ich suche. Jedenfalls vielen Dank.«
Die Metallfabrik Jensen & Thor lag zwischen dem Bahngelände der Burlington-Northern und dem South Platte River. Das Verwaltungsgebäude lag etwas abseits
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