Hebt die Titanic
von den Werkhallen. Mel Donner stellte sich bei der Empfangsdame vor und sagte, woher er kam. Das Zauberwort Washington öffnete ihm sofort die Tür des Privatbüros von Carl Jensen junior: einem modisch gekleideten Mann von etwa achtundzwanzig Jahren. Er kam um den Schreibtisch herum und schüttelte Donner die Hand. »Ein Mann aus Washington in unserer bescheidenen Eisenhütte«, sagte er mit einem etwas gezwungenen Lächeln. »Ich hoffe, das hat nichts mit irgendwelchen unangenehmen Behörden zu tun.«
Donner schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Die Regierung hat ein rein historisches Interesse an dem Fall. Falls Sie noch die Verkaufsbücher oder entsprechende Karteien für das Jahr 1911 haben, würde ich nur gern die Verkäufe von Juli bis November jenes Jahres nachlesen.«
Als der junge Jensen ihn erstaunt und fragend ansah, fügte Donner schnell hinzu: »Ich nehme an, diese Firma ist der Nachfolger des Schmiede- und Eisenwerks Thor?«
»Das war die Firma meines Urgroßvaters«, bestätigte Jensen. »Mein Vater hat die Aktien aus dem freien Handel aufgekauft und den Firmennamen im Jahre 1942 geändert. Die alten Geschäftsbücher sind natürlich längst vernichtet, weil sie zuviel Platz einnehmen würden. Aber mein Vater war schon bei Übernahme der alten Firma weitsichtig genug, alle Unterlagen der Firmenbuchhaltung auf Mikrofilm aufnehmen zu lassen.«
»Mit Mikrofilmen scheine ich ja heute Glück zu haben«, sagte Donner erfreut. »Zuerst bei den Rocky Mountain News – und jetzt bei Ihnen. Sie können mir also tatsächlich Auskunft über die Verkäufe im zweiten Halbjahr 1911 geben?«
Jensen antwortete nicht, sondern gab durch die Sprechanlage den Auftrag durch und lehnte sich wieder in seinem Schreibtischsessel zurück. Er musterte Donner neugierig. »Jetzt habe ich Ihnen einen Gefallen getan. Würden Sie mir auch einen tun?«
»Warum nicht?« antwortete Donner ausweichend. »Es kommt darauf an, was Sie wissen möchten.«
»Was Sie an den Verkäufen im Jahre 1911 so interessiert. Denn ohne Grund schickt die Regierung wohl kaum einen Mann von Washington her, um alte Verkaufslisten anzuschauen.«
»Das stimmt«, bestätigte Donner. »Nehmen Sie einfach an, wir wollen ein weit zurückliegendes Verbrechen lösen, zu dem Ihr Urgroßvater ahnungslos Material geliefert hat.«
»Ein solches Verbrechen wäre doch längst verjährt.«
»Aber die Regierung könnte aus ganz bestimmten Gründen doch daran interessiert sein, den Verbrecher noch ausfindig zu machen.«
Jensen lächelte nur höflich und bot Donner etwas zu trinken an, um die Wartezeit zu überbrücken. Kurze Zeit später brachte ein Mädchen eine Fotokopie und entfernte sich wortlos.
Jensen überflog die Fotokopie und sagte: »Juni bis November müssen schlechte Monate für meinen Urgroßvater gewesen sein. Der Umsatz war sehr gering. An welchen Fabrikaten sind Sie denn interessiert, Mr. Donner?«
»Bergwerkausrüstung.«
»Ja, dann kommt nur das in Frage: Bohrwerkzeuge. Am 10. August bestellt und vom Käufer am 1. November abgeholt.« Jensen grinste spöttisch über den Schreibtisch hinweg. »Sie haben mir da eine komische Geschichte aufgetischt, Sir. Wirklich lustig.«
»Ich verstehe nicht.«
»Der Käufer – der Verbrecher, wie Sie mir erklärt haben…« Jensen machte eine theatralisch wirkungsvolle Pause, »… war die Regierung der USA.«
12
Die Zentrale der Meta-Abteilung lag in einem unauffälligen alten Gebäude neben dem Washington Navy Yard verborgen. Auf dem von Hitze und Luftfeuchtigkeit verwitterten Schild stand in abblätternden Buchstaben: Speditions- und Lagerhaus Smith.
Das Gelände mit Verladerampen, aufgestapelten Kisten und parkenden Lastwagen hinter dem viereinhalb Meter hohen Maschendrahtzaun wirkte auf die Autofahrer, die das Grundstück auf dem Suitland Parkway passierten, durchaus wie das Arbeitsgebiet einer echten Speditionsfirma. Auch wenn die Möbelwagen nicht alle fahrbereit waren. Gene Seagram war gerade dabei die Berichte über die Grundstückskäufe für das Projekt Sizilien zu prüfen. Es waren insgesamt sechsundvierzig. Die meisten Grundstücke für die Geheimanlagen waren an der Nordgrenze zu Kanada und an der Atlantikküste gelegen. Für die Pazifikküste waren lediglich acht dieser Anlagen vorgesehen, und für die mexikanische Küste und den Golf von Mexiko sogar nur vier. Die Transaktionen hatten schon deshalb kein großes Aufsehen erregt, weil der Käufer als Mitglied des Amts für Energiestudien
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